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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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sagte der Inquisitor. «
Er
hat nie in der
Guva
auf Malta gesessen, Maestro Michele. Wäre er so eingekerkert gewesen, hätte er Euch geraten, auf Eure Freunde zu vertrauen und nicht allein auf Gott.»
    «Signore?», rief der Wächter von oben.
    «Für dich immer noch Pater.» Della Corbara blickte finster, und der Wächter verschwand. «Michele, Ihr habt jetzt keine Wahl mehr. Wenn Ihr hierbleibt, stoßen Euch die Ritter aus, weil Ihr ein adliges Mitglied des Ordens verletzt habt. Ihr genießt dann keine Protektion mehr. Sie schicken Euch nach Rom, wo Ihr für den Mord an Ranuccio hingerichtet werdet. Aber ich könnte für Euch Schutzhaft erwirken.»
    Caravaggio schüttelte den Kopf. Er glaubte nicht, dass der Inquisitor die Ritter umstimmen konnte. Für die Verzweifelung des Priesters empfand er Sympathie.
    Wie ein müder Vater gegenüber seinem widerspenstigen Sohn stieß della Corbara einen kurzen Seufzer aus. Als er aufstand, blockierte der Inquisitor den Lichteinfall. Robe undRock waren schwarz. «Ich rede zu Euch als Freund, Michele. Wenn Ihr hier rauskommt, vertraut auf die Liebe. Wir hoffen, dass die Liebe ewig währt, aber wir wissen, dass wir nicht mit ihrer Dauer rechnen dürfen. Das macht ihre Freuden so intensiv.»
    Der Inquisitor war ihm stets wie ein Teil des stolzen Stroms der Welt vorgekommen, gegen den Caravaggio sich mit breiter Brust behaupten musste. In der Niederlage zeigte der Priester ihm jedoch seine Schwäche, und Caravaggio fühlte sich ihm gegenüber nackt. Der kalte Fels des Kerkers ließ ihn zittern.
    ∗
    Im Palast des Großmeisters saßen die älteren Ritter im Halbkreis an einem schweren Eichentisch. Als Admiral der Galeeren nahm auch Fabrizio am Ehrenrat teil. Da er noch nicht lange im Orden gedient hatte, war sein Sitz im Halbkreis ganz außen. Die Piliers aller Nationen, denen die Ritter entstammten, saßen neben Wignacourt. Er saß zusammengesunken auf seinem Thron, stützte das Kinn in die Hand und verbarg seine sorgenvolle Miene hinter den Fingern. Rechts von ihm saß aufrecht Martelli, der seine wütende Anspannung gar nicht zu bemerken schien.
    Die Ritter hatten sich die Ergebnisse der Ermittler angehört, aber bevor sie die Entscheidung trafen, Caravaggio aus dem Orden auszustoßen, hatte Martelli darauf bestanden, dass Roero seine Version des Kampfs am Tisch erzählen sollte.
    Wignacourts Page ging um den Tisch herum und entzündete mit einem Wachslicht die Kerzen, da die Anhörung sich bis in den Abend hinzog. Als er die Flamme an die Kerze vor Fabrizio hielt, zitterte ihm die Hand. Fabrizio lächelte freundlich, aber der Junge hatte es eilig, die anderen Kerzen zu entzünden. Fabrizio verfluchte sich selbst für das, was er mit dem Pagen getanund womit er sich gegenüber Michele als der Mann, der er war, offenbart hatte. Wenn er vor all den Jahren, als er zum ersten Mal mit Michele zusammen gewesen war, in Deckung geblieben wäre, welchen Schmerz hätte er anderen dann erspart? Seiner Mutter, Michele, diesem Pagen? Er verfluchte seinen Vater, der ihn als Erster wollüstig berührt hatte, und er fragte sich, wann und in welchem Kreis der Hölle er ihm wieder begegnen würde.
    Roero brachte seine Version in einem Tonfall des Entsetzens vor. Fabrizio empfand das als abstoßende Schauspielerei. Roero hatte schon oft weitaus schlimmere Gewalttaten verübt als Michele und riss darüber auch noch Witze.
    Der Page warf das Wachslicht in den Feuerrost und nahm seinen Platz hinter dem Großmeister ein. Mit seiner zarten Hand fuhr er wie abwesend über den Rand eines Krugs mit kaltem Wasser, der neben ihm auf einem Wägelchen stand. Fabrizio beobachtete die Bewegung atemlos. Der Junge führte die Kondensflüssigkeit an die Lippen und leckte sie ab. Als er Fabrizios Anteilnahme bemerkte, verschränkte er die Hände auf dem Rücken. Den Abscheu, den Fabrizio gegenüber Roero empfunden hatte, richtete er nun gegen sich selbst.
    «Womit hat der Disput beim Essen begonnen, Bruder Roero?» Martelli sprach leise, und es klang eher wie eine Warnung als eine Frage.
    «Ich habe sein Gemälde beanstandet», sagte Roero. «
Die Enthauptung Johannes’ des Täufers
im Oratorium.»
    «Worauf genau lief Eure Beanstandung hinaus?»
    «Sein Modell für Salome ist eine maltesische Hure.»
    «Woher wisst Ihr, dass sie eine Hure ist?»
    «Mit welcher anderen Frau würde sich ein Künstler sonst abgeben? Sie ist gewiss nicht dazu geeignet, dem Anblick unserer Novizen ausgesetzt zu werden.»
    Caravaggio

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