Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman
genoss keinerlei Protektion mehr. Selbst Martelliwar nicht dazu in der Lage, den Prozess aufzuhalten. Fabrizio wünschte sich, dass seine Mutter anwesend gewesen wäre, um für ihren Protegé zu sprechen. Er schnalzte mit der Zunge. Wie schwach er doch war, dass er in solchen Momenten die Kraft einer Frau herbeisehnte. Er dachte an die Verzweiflung, mit der ihn Caravaggio in seiner Residenz auf dem Bett niedergerungen hatte. Fabrizio hatte sich abgestoßen und zugleich umarmt gefühlt.
Roeros Vortrag schien nicht enden zu wollen. Fabrizio stand leise auf. In der Hoffnung auf ein Zeichen sah er Martelli an, aber der alte Ritter richtete seine Aufmerksamkeit auf Roero.
Fabrizio eilte im Laufschritt über den Palasthof.
Lass sie da ruhig sitzen und ihr Urteil fällen. Für mich ist Michele weder Ritter noch Künstler. Ihr Ehrenkodex betrifft mich nicht. Ich beurteile ihn nach einem anderen Maß – mit Liebe –, und an der hat er es nie fehlen lassen.
∗
Das Geräusch eines Handgemenges über ihm weckte Caravaggio. Er fragte sich, wie spät es war. Als die Klappe geöffnet wurde, herrschte tiefste Nacht.
Roero ist gekommen, um der Sache ein Ende zu machen.
Er ließ die Hände sinken und entspannte seinen Körper.
«Michele, los doch.» Fabrizio ließ die Leiter zu ihm herab.
Er kletterte hinauf. Die Sklaven, die der Großmeister ihm geschenkt hatte, kauerten über dem Körper der Wache. Einer holte aus, um dem liegenden Soldaten den Schädel einzuschlagen, aber Fabrizio hielt ihn am Handgelenk zurück.
«Ich habe diesen beiden gesagt, dass du sie freilässt, wenn sie dir helfen.»
Die Afrikaner sahen Caravaggio an wie wütende Beutetiere. Sie warfen die bewusstlose Wache in die
Guva
und schlossen die Klappe.
«Ich rate dir, ihre Entlassungspapiere erst zu unterschreiben, wenn sie dich nach Sizilien gerudert haben. Sonst werfen sie dich vielleicht einfach ins Meer.» Fabrizio zog ihn in Richtung der Festungsmauer.
Ein an einem Enterhaken befestigtes Seil hing von einem unbemannten Wachtposten herab. Fabrizio bedeutete den Afrikanern, über die Mauer zu klettern. Sie hangelten sich lautlos in die Dunkelheit hinunter. Vor dem gegen die Felsen schäumenden Wasser waren ihre Umrisse kaum zu erkennen.
«Der Ehrenrat wird dich aus dem Orden ausstoßen, Michele», sagte Fabrizio. «Dem Großmeister bleibt keine andere Wahl, als dich nach Rom auszuliefern.»
«Meine Befreiung – ist für dich eine Gefahr.»
Mit der Ergebenheit eines Mannes, der sämtliche Gefahren hinter sich gelassen hatte, wich Fabrizio seinem Blick aus. «Meine Mutter hat dich dein ganzes Leben lang beschützt, Michele. Ich habe ihr versprochen, in Malta auf dich aufzupassen.»
Caravaggio schlüpfte über die Mauer und fasste das Seil. Er sah Fabrizio fragend an. Der Edelmann lächelte. «Das ist wie bei den Spielen, die wir als Kinder im Hof meiner Mutter spielten. Behalte diese Zeit in Erinnerung, auch wenn die Erinnerung an unsere anderen Vertraulichkeiten schmerzt.»
«Ich wollte dich ja auch. Ich habe versucht, es zu vergessen, aber ich kann es nicht.»
«Nichts ist je vergessen, Michele. Das ist der Fluch der Welt.» Fabrizio packte Caravaggio am Handgelenk. «Leg dir das Seil unter den Arm. Stoß dich mit beiden Beinen gleichzeitig ab. Lass dich dabei jedes Mal um ein paar Steine abwärtssinken.»
Im festen Griff Fabrizios an seinem Arm spürte Caravaggio Zärtlichkeit.
«Unten folgst du den Sklaven ans Ende der Landspitze. Dort wartet ein Boot auf dich. Einer meiner Seeleute navigiert dich nach Sizilien.»
«Das werde ich dir nie vergessen, Fabrizio.»
«Roero aber auch nicht. Denk immer daran und verhalte dich entsprechend. Er sitzt dir jetzt im Nacken, genau wie die Tomassonis.» Fabrizio vergewisserte sich, dass sich keine Wachtposten näherten. «Als ich im Gefängnis war, habe ich über einen Ausbruch nachgedacht. Ich wollte dem Tod entkommen. Du, Michele, scheinst ihm nachzulaufen.»
Caravaggio schürfte sich die Hände blutig, während er beim Abseilen die Geschwindigkeit drosselte. Unter ihm im Hafen brodelte die See, als gierte sie nach ihm. Unten angekommen, folgte er den schweigsamen Afrikanern das Ufer entlang. Hinter sich hörte er den von Fabrizio geworfenen Enterhaken ins Wasser klatschen.
Ein hochbordiges hölzernes Ruderboot tanzte am Ende der Mole auf den Wellen. Die Sklaven blickten zu den vergitterten Höhlen am Fuß der Festung, wo sie gefangen gehalten worden waren.
Fabrizios Mann machte sich zum Ablegen
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