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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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lagen.
    Deshalb also war Magnus beim Anlass für seinen Ritt nach Altona so wortkarg gewesen. Er hatte dort einen Hinweis oder gar Aufklärung vermutet, dann hing der Mord doch mit den Geschehnissen in Kopenhagen zusammen. Oder er war überhaupt nicht nach Altona geritten, das würde seine Sorglosigkeit wegen der Torsperre erklären, sondern hatte eine eigene Spur verfolgt, hatte hier in der Stadt etwas entdeckt oder herausgefunden und wollte sie überraschen. Das fand sie auf diese Weise nicht unbedingt angenehm, aber wenigstens war er sicher zurück, kein Ast hatte ihn getroffen, kein Sturz vom Pferd ihn verletzt.
    Sie hatte Glück, selbst die Nachtwächter hatten sich vor dem Sturm in Sicherheit gebracht, und die Dachpfanne, die am Ende der Katharinenstraße durch die Luft wirbelte, zerbarst einige Fuß vor ihr auf der Straße.
    Auf dem Kirchhof angekommen, sah sie sich um. Bis auf zwei im neuen Hauptpastorat waren die Fenster der umstehenden Häuser dunkel. Auch die Laternen am Kirchenportal brannten nicht. Niemand war zu sehen, nicht einmal Magnus’ Pferd. Sicher hatte er es an einen geschützten Platz gebracht. Nicht in den Stall, dann hätte er sie selbst geholt, anstatt Meinert zu schicken. Trotzdem bereitete ihr das Fehlen des Fuchses Unbehagen. Sie hatte sich rasch auf den Weg gemacht, glücklich, ihn heil in der Stadt zu wissen. Jetzt spürte sie etwas, das sie warnte.
    «Unsinn», murmelte sie. Hier, in dieser Kirche, war ein Mord geschehen, natürlich löste das ungute Gefühle aus. Das war alles. Ihr Instinkt für Gefahr hatte sie oft gewarnt – und ebenso oft genarrt. Selbst in ihr erwachte ab und zu der Hasenfuß, sie war nicht bereit, dem nachzugeben.
    Sie zog die Tür auf und durchschritt rasch die Turmhalle. Kein Magnus, kein Wagner, niemand.
    ‹Magnus?›, wollte sie rufen. ‹Wagner? Wo seid ihr?›
    Doch da war etwas, das ihr die Kehle verschloss und jeden Muskel ihres Körpers anspannte. Ein Gefühl in ihrem Rücken, zu stark, um es einfach wegzuschieben. Ein Geräusch, schleichend und leise, ließ sie erstarren. Das konnte nicht Magnus sein, auch Wagner nicht. Sie erwarteten sie, warum sollten sie so schleichen? Auf Zehenspitzen wandte sie sich rasch nach links, zur Turmtreppe, und lauschte angestrengt. Der Sturm hatte nicht nachgelassen, wie Meinert versichert hatte, er heulte um die Kirche, sang ein jaulendes Lied auf dem geschwungenen Kupferdach, ließ die von Alter und Wetter gelockerten Platten klappern. Da bewegtesich etwas, bei den vorderen Bänken unter der Südempore. Das war nicht Magnus, Magnus war größer, Magnus war   …
    Plötzlich erkannte sie, wer es war, und begriff schneller, als sie denken konnte. Sie schoss durch die Tür zur Treppe, der einzige Ausweg, tastete fieberhaft nach dem Riegel – sie hatte ihn doch gesehen, als sie mit Sonnin hinaufgestiegen war   –, fand ihn, schob ihn vor und lehnte sich mit angehaltenem Atem und hämmerndem Herzen gegen das alte Holz. Er hatte sie gesehen, natürlich hatte er das, ihre helle Bluse musste geleuchtet und jeden Schimmer des Mondlichtes vervielfacht haben. Da rüttelte es schon an der Tür, ein Kalkbröckchen streifte ihre Hand, und sie wusste, wenn der Riegel nicht hielt, gab es nur einen Weg – nach oben. Und dann?
    «Öffnet die Tür, Madam, ich bitte Euch. Fast hätte ich Euch nicht erkannt, in diesem Aufzug. Aber Euer Haar ist unverkennbar. Ich bin es doch, Meinert», hörte sie seine Stimme schmeichelnd durch das Holz. «Warum versteckt Ihr Euch? Es gibt doch keinen Grund zur Furcht. Ich will nur mit Euch sprechen.» Wieder rüttelte er an der Tür, noch mehr Kalkbröckchen fielen herunter. «Ich habe Euch etwas   …»
    Da liefen ihre Füße schon, hetzten die ausgetretenen Stufen hinauf, stolperten, rannten die enge Wendeltreppe hinauf, weiter über die Holztreppen im Turmschaft. Nun wusste sie, was in ihrem Hinterkopf darauf gewartet hatte, überlegt und begriffen zu werden. Das J hinter dem P war
kein
einfacher Strich gewesen, nicht die Andeutung eines Ausrufezeichens, es
war
ein J.   Und es stand für Java. Die ostindische Insel, auf der Zacharias Meinert gelebt hatte. War das ein absurder Schluss? Eine allzu phantasievolle Folgerung? Das war nun egal – er hatte behauptet, Magnus erwarte sie hier, aber hier wartete nicht Magnus, hier hatteer selbst auf sie gewartet, ohne Laterne, verborgen in einer dunklen Ecke. Was immer auf Java geschehen war, was hier, in dieser Stadt geschehen war, Zacharias Meinert,

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