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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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aus dem Kontor in Batavia, fort von allem, was ein Stückchen Europa bedeutet. Nach Nieuwe Poort, diese elende Ansammlung von Hütten, an diese morsche Mole, dahinter nichts als Sumpf und dampfendes Dickicht. Sie und ihr Vater waren dort die einzigen Europäer. Halbwegs noch Europäer. Und die Unmengen, die Myriaden von Ungeziefer», zischte er, «tierisches und menschliches. Und Chinesen, sie sind dort überall, die Chinesen, und nehmen uns unsere Geschäfte und bieten ihre Töchter an.»
    «Sie war Chinesin? Eure Frau?»
    Ein verächtlich-böser Blick traf sie. «Denkt Ihr, ich hätte sie dann geheiratet? Ihr Vater ist Deutscher,
war
Deutscher, wer weiß, wie man das nennen soll, was er jetzt ist. Natürlich stritt er es ab, aber ich habe später doch gemerkt, dass sie asiatisches Blut hatte. Nicht viel», versicherte er hastig, als müsse er eine Schande abwehren, «aber da kümmerte es mich schon nicht mehr. Ich hatte einen Fehler gemacht. Die Einsamkeit, es lag nur an der Einsamkeit. Man ist so schrecklich allein dort, und sie – war so tröstlich. Ihr Fleisch war so weich. Aber sie war dumm und keine Zukunft. Soeine Frau mit einer solchen Familie kann keine Zukunft sein. Ich habe unsere Männer dort gesehen, viele starben am mörderischen Klima, andere soffen und hurten sich zu Tode. Oder brachten sich selbst um.»
    ‹Reden›, dachte Rosina, ‹ich muss nicht reden, ich muss ihn reden lassen. Magnus›, betete sie, ‹lieber gnädiger Gott, lass Magnus heimkehren und mich suchen.›
    «Ich will ein gutes Leben, dafür habe ich hart gearbeitet, ich habe es verdient, versteht Ihr? Verdient. Und als das Schiff unterging, musste sie mich für tot halten, tot wie alle hundertsieben Männer, niemand hatte überlebt. Aber ich. Das war ein Zeichen. War es das etwa nicht?»
    Seine Stimme war ruhiger geworden, sein Blick entschlossen. Jetzt musste sie etwas tun. Was? Reden, ihn zum Reden verführen. Was blieb sonst?
    «Welches Schiff? Warum ist es untergegangen, und wieso habt Ihr überlebt?»
    «Das Schiff von Batavia zurück nach Amsterdam. Ich hatte genug von den Tropen und einiges verdient. Genug für einen neuen Anfang. Sie sollte nachkommen, später, so war es verabredet, bis dahin blieb sie in Nieuwe Poort, in ihrem ekligen Sumpf. Als wir am Kap der Guten Hoffnung Station machten, habe ich die Abfahrt versäumt, stellt Euch vor. Ich hatte gedacht, es sei der Teufel, der mich zum Trinken verführt hatte. Er war es nicht, es war ein Zeichen. Am Kap der Guten Hoffnung.» Er lachte wie über einen heiteren Scherz. «Ich
sollte
frei sein. Das Schiff ging unter, schon wenige Tage nach dem Ablegen. Die Besatzung eines anderen Seglers hat es gesehen, aber man kann in den Unwettern auf See nicht helfen, sie sind die Hölle. Von dem Untergang hörte ich erst in Amsterdam. Ich hatte das nächste Schiff genommen, drei Wochen später, und als ich Holland erreichte, wartete man noch aufdas andere. Es kam nie an. Ich war tot, versteht Ihr? Für sie war ich tot.»
    «Nein, ich verstehe überhaupt nicht. Es war doch nur eine Frage der Zeit, irgendwann würde sie erfahren, dass Ihr wohlbehalten in Amsterdam wart.»
    «Nein», schrie er, «nein! Für sie war ich tot. Tot! Das musste sein, ich hatte doch in Amsterdam Barbara getroffen. Es gab keinen anderen Weg.
Sie
war meine Zukunft. Für sie muss ich das alles tun. Sie darf nichts erfahren von diesem ganzen Schmutz, es gibt keine edlere und liebendere Frau. Sie darf nicht beschmutzt werden.»
    «Ihr seid ja verrückt», schrie Rosina zornig, «sie wird alles erfahren, es ist nur eine Frage der Zeit.»
    «Nein! Seid still!» Seine Stimme war ein Kreischen, er sprang auf, griff nach ihren Handgelenken und versuchte sie hochzuzerren. «Jetzt ist Schluss. Ich muss es tun, versteht Ihr das nicht? Dann ist es vorbei, dann ist Barbara in Sicherheit, und alles ist vorbei.»
    «Nie! Sie ist nie in Sicherheit, so wenig wie Ihr. Ihr seid ein Totschläger, dem entkommt Ihr nicht. Und Barbara auch nicht.»
    Sie versuchte verzweifelt, ihm ihre Arme zu entwinden, seine Hände hielten sie wie Schraubstöcke, sie versuchte ihn zu treten, er wich ihr aus. Er stand ganz nah vor ihr, hielt ihre Hände gegen seine Brust gepresst, und starrte sie an. In seinen Augen standen Tränen, sein Mund zitterte. Die Angst war zurückgekehrt.
    Sie hatte noch eine Chance – die Zeit, noch eine Waffe – das Reden. Auch sie hatte Angst, wie nie in ihrem Leben. Ihr Geist war überwach, alles schien größer,

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