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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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sah sein weißes Gesicht mit dem keuchend verzerrten Mund. Sie kroch an die abgeplattete, vier Fuß breite Säule in der Brüstung und presste ihren Rücken an die Kupferplatten, doch die schützte vor dem Sturm nur ein kleines bisschen. Der ganze Turm schien zu schwanken, sein Gebälk ächzte, als müsse es dem Angriff der nächsten Bö erliegen.
    «Wie dumm Ihr seid», stieß Meinert keuchend hervor, «wie schrecklich dumm. Wärt Ihr doch nicht gekommen! Nun muss ich   …»
    «Nichts müsst Ihr, gar nichts. Nur wieder hinabsteigen, geht nach Hause, ich habe Euch hier nie gesehen. Es ist nichts, nur ein Irrtum. Ein böser Traum.»
    Sie hörte sich reden, oder hatte sie es nur gedacht? Wehte der Wind nicht alles fort? Sie war oft in Gefahr gewesen und immer entkommen. Oder jemand hatte sie gerettet, manchmal sie selbst, gerade zur rechten Zeit. Bilder rasten durch ihren Kopf wie Blitze, es war immer gelungen, sie musste nur ruhig bleiben, ganz ruhig. Bleiben? Werden. Sie musste ruhig werden. Dann fand sich ein Weg. Und reden. Reden, reden, reden.
    «Geht weg», sagte sie und hörte ihre Stimme zittern, «Eure Frau wird Euch vermissen, was wollt Ihr sagen, wo Ihr wart?»
    «Meine Frau schläft. Sie fühlt sich unwohl, wie oft, und schläft allein.»
    «Was immer Ihr vorhabt, geht weg. Magnus wird gleich hier sein, er wird fragen, was Ihr   …»
    «Ihr lügt», seine Lippen verzogen sich zu einem hämischen Grinsen, «Vinstedt ist in Altona, er hat es mir selbst gesagt, als ich ihn am Millerntor traf. Ich sah ihn fortreiten, dann kam der Sturm – es gab keine bessere Gelegenheit. Nur ein Idiot reitet bei solchem Sturm zurück. Niemand wird kommen.»
    Er kauerte sich auf den Boden, nur einen Schritt von ihr entfernt, und duckte sich gleich ihr hinter die Brüstung. Der Sturm fuhr durch die Zwischenräume, zerrte an seinem hellen Haar, plusterte es auf und gab ihm das gespenstische Aussehen einer Medusa, den Kopf voller weißlicher züngelnder Schlangen.
    Warum handelte er nicht? Warum fiel er nicht gleich über sie her und tat, was er tun wollte?
    Er hatte Angst, sie sah es in seinen Augen. Er hatte schon einmal getötet, aber nicht von Angesicht zu Angesicht.
    «Ihr seid zu neugierig, Madam, mischt Euch in Dinge, die Euch nichts angehen, die niemand angehen, nur mich. Bedankt Euch bei Juliane, ohne sie wärt Ihr nicht hier. Eure Heimlichtuerei war ein Witz. Dienstboten hören und sehen alles. Und reden. Und die dumme Sibylla – sie dachte, sie hat mich in der Hand. Wie eine Marionette. Sie dachte, sie kann die Fäden ziehen und mich vernichten, wenn ihr der Sinn danach steht. Ich hatte einen Stein mitgebracht, auf die Empore, aber dann lagen da diese Klötze   … Hätte sie die verdammte Mappe nicht so gut versteckt, wäre niemand etwas geschehen. Niemand. Ich habe die falsche aus dem Kontor mitgenommen, eine ganz ähnliche. Da musste ich doch handeln, endgültig handeln. Sibylla ist schuld, sie hat mich zu allem gezwungen.» Schweiß rann von seiner Stirn in seine Augen, er wischte ihn wütend weg. «Und als die Laterne umfiel, als es plötzlich brannte, habe ich gedacht, nun ist es gut, alles verbrennt, das Kontor, das ganze Haus und   …»
    «Eure ganze Vergangenheit?», schrie Rosina. «Die verbrennt nicht, es gibt immer jemand, der sich erinnert.»
    «Nicht mehr. Sie ist doch tot. Und ihr Vater klebt wie eine Qualle in seinem Sumpf, den kümmert nichts mehr. Sie muss es gewesen sein, diese Tote hier unter der Empore. Das Wechselfieber, die gekrümmten Finger – sie war es ganz sicher. Ist das nicht ein Witz? Ein furchtbar schlechter Witz. Sie hat die lange Reise gemacht, Monat um Monat auf See, nur um hier zu sterben. An ihrem Wechselfieber. So banal.»
    «Sie war Eure Frau», rief Rosina, im Triumph beinahedie Angst vergessend, «Eure Ehefrau. J wie Java, es stimmte. Ihr habt dort gelebt und sie geheiratet. Und verlassen – für eine lohnendere Partie. Bleibt, wo Ihr seid, Meinert. Ich kratze Euch die Augen aus. Glaubt mir, ich weiß, wie das geht. Ich bin keine Dame, vergesst das nicht.»
    Sie hörte sein böses Lachen nicht, sie sah es nur, aber er ließ sich wieder zurückfallen und starrte sie an. Er sah sie nicht, er sah andere Bilder.
    «Sie hat mich verführt. Sie hat meine Schwäche benutzt, nur eine kleine Schwäche. Ihr wisst nicht, wie einsam man dort ist? Ich hatte wunderbare Dinge von Ostindien geglaubt, es gibt so viele Berichte – sie sind alle gelogen. Sie hatten mich fortgeschickt

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