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Mit den Augen der Fremden

Mit den Augen der Fremden

Titel: Mit den Augen der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R. Dickson
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zivilisierten Kultur lernen. Ein junges Tier – ein junges Kind – ist nicht vernünftig. Es bringt kein Verständnis auf. Es konzentriert sich ganz darauf, zu überleben und zu wachsen. Es nimmt jeden Vorteil wahr, der sich ihm bietet, ohne abstrakte Moralwerte oder unsichtbare Unterschiede zu bedenken. Wenn wir Grundlagenforschung …“
    „Kommen Sie da nicht vom Thema ab?“ fragte Swenson. „Die Zeit verfliegt.“
    „Es hängt alles zusammen. Aber schon gut“, sagte Jason. „Ich hab’ Ihnen ja gesagt, daß Sie es nicht begreifen würden. Das Verstehen ist in Ihrem Geist ebenso blockiert wie in dem der Ruml, und zwar durch primitive gefühlsmäßige Reaktionen auf Fremde. Grundlagenforschung hätte uns gezeigt, daß das passieren würde, und zwar, noch ehe wir mit einer Rasse wie den Ruml Verbindung aufnahmen. Wir hätten gewarnt sein können, hätten die primitive Reaktion vermeiden können, aber das waren wir nicht. Und jetzt steht hier eine starre Meinung gegen die andere, ein blockierter Geist gegen den anderen.“
    „Zeigen Sie uns doch, wo unser Geist blockiert ist“, sagte Swenson. „Vielleicht können wir ihn dann öffnen.“
    „Sie glauben wirklich, daß Sie das wollen“, antwortete Jason. „Aber das tun Sie nicht. Sie müssen damit anfangen, indem Sie Kator begreifen. Beginnen Sie damit, daß Sie in ihm einen Mann mit einem strikten Moralbegriff sehen …“
    „Moralbegriff!“ sagte jemand im Raum.
    Jason blickte nicht einmal auf. „Sehen Sie?“ sagte er zu Swenson. „Das haben Sie nicht gesagt, aber es hätte genausogut von Ihnen kommen können. So empfinden Sie alle.“
    „Wir brauchen doch nicht einmal zu bedenken, wie er uns gegenüber gehandelt hat“, sagte Swenson. „Gegen seine eigenen Leute hat er alles andere als einen Moralbegriff gezeigt. Hat er nicht gerade siebenundfünfzig Mitglieder seiner eigenen Rasse belogen und sie bewußt zum Selbstmord getrieben? Was ist daran moralisch?“
    „Die höchste Moral, die es gibt“, sagte Jason. „Die Moral des Überlebens, als Individuum und als Rasse. Sie sind gestorben, damit er nicht nur leben, sondern auch erfolgreich sein möge. Wenn es in seiner ganzen Rasse, seiner ganzen Familie, eine Person gegeben hat, die er liebte, so war das Bela. Und er ließ Bela willkürlich töten, um sein Prestige in den Augen der Expeditionsmitglieder zu steigern …“
    „Wobei er die ganze Zeit wußte, daß er sie ebenfalls töten würde“, sagte Swenson. „Ich glaube, Sie begreifen, daß es für uns sehr schwer zu schlucken ist, daß dies eine edle Tat war.“
    „Aber er hatte den Punkt noch nicht erreicht, wo er sie in Sicherheit töten konnte!“ sagte Jason. „Sie sehen seine Autorität in menschlichen Kategorien! Sie sehen seine Pflichten in menschlichen Kategorien. Sie sehen seine Ziele in menschlichen Kategorien …“
    Die Tür flog auf. Ein Mann streckte den Kopf herein, und Jason brach plötzlich ab. Der Ausdruck, den er im Gesicht des Mannes gesehen hatte, war der Ausdruck eines Mannes, der den Beweis für seine eigene Vernichtung erblickt hat.
    „Es fängt an“, sagte der Mann zu Swenson. „Sie hatten gesagt, ich sollte es Ihnen melden. Wenn Sie kommen wollen, sollten Sie jetzt alle mitkommen.“
    „Gleich“, sagte Swenson. „Kommen Sie mit, Jason, kommen Sie mit und sehen Sie sich an, was Sie angerichtet haben.“
    Jason arbeitete sich mühsam hoch. Von den Männern umgeben, ging er aus dem Raum, ein paar Korridore entlang und schließlich in einen Saal mit einem großen, dreidimensionalen Bildschirm an einem Ende und Sitzreihen wie in einem Theater davor.
    In der dritten Reihe saß Mele neben einer hochgewachsenen Frau und zwei Männern in Straßenanzügen. Sie brachten Jason in dieselbe Reihe und ließen ihn sich setzen. Er nahm neben Mele Platz.
    „Mele“, sagte er. „Wie …“
    „Schon gut.“ Sie lächelte ihm zu, griff nach seiner Hand und drückte sie. Und sie ließ seine Hand nicht los. Und weder die Männer noch Jason hatten etwas dagegen einzuwenden. Swenson nahm auf Jasons anderer Seite Platz.
    „Fertig“, sagte Swenson und wandte sich zu einem der Männer hinter ihm. Die Reihen füllten sich mit dreißig oder vierzig Leuten.
    Kurz darauf verblaßte die Deckenbeleuchtung. Auf dem 3-D-Bildschirm baute sich wie in einem Würfel aus Glas eine Szene auf. Jason erkannte sie sofort, obwohl Kator noch nie an diesem Ort gewesen war. Aber jeder Ruml wußte, wie er aussah. Das war der Versammlungssaal des Rats

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