Mit den Augen der Fremden
Regalen hinunter, bis er die polierte Hartholztür erreichte, die zu Meles Büro führte.
Er legte sein Ohr an die Tür, lehnte sich dankbar und erschöpft dagegen und hörte das leise, höfliche Klicken ihrer Schreibmaschine – er seufzte –, und in seinem inneren Ohr klang es wie eine Explosion. Er legte die Hand auf den Türknopf, öffnete ihn und taumelte die beiden Stufen zu ihrem Schreibtisch hinunter.
Seine Hand tastete nach dem Papierkorb, wollte ihn umkippen und darauf Platz nehmen, so wie er es früher getan hatte. Aber die Mühe war zu groß, seine Kräfte waren ihr nicht mehr gewachsen. Die Knie versagten ihm den Dienst, und er fiel schwer auf einen großen tragbaren Video-Audio-Recorder, der neben ihrem Schreibtisch stand.
Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß ihr Gesicht ihn hinter der jetzt verstummten Schreibmaschine anstarrte. Er starrte zurück. Er hatte sich – vor undenklichen Zeiten – zurechtgelegt, was er ihr sagen würde … daß die Situation es unumgänglich machte, sie um ihre Hilfe zu bitten. Aber jetzt, da er sie von Angesicht zu Angesicht vor sich sah, hatte er weder die Kraft noch die Worte. Er saß einfach da, immer noch triefnaß, lehnte sich auf ihren Schreibtisch und starrte sie mit Augen an, die die Schlaflosigkeit trocken gebrannt hatte – und schwieg.
Und dann begann der Raum sich langsam auf ihn herunterzusenken. Er merkte kaum, wie er fiel, wie er von dem Recorder glitt, wurde sich seiner hilflosen Versuche, aufrecht zu bleiben, kaum bewußt … und dann … Schwärze.
Als er erwachte, war er wieder zwischen den Büchern. Nicht weit von der Tür, die zu Meles Büro führte, aber in einer Ecke. Das Licht warf Schatten, die ihm genügend Schutz boten, sollte hier jemand nach ihm suchen. Er befand sich in einer Ecke, halbaufgerichtet, und eine schwere graue Wolldecke bedeckte ihn und war um seine Schultern gewickelt.
Mele kniete vor ihm und goß etwas aus einer Thermosflasche in eine große Kaffeetasse. Er blinzelte sie unsicher an, sammelte seine verwirrten Sinne. Wie es ihr gelungen war, seine hundertsiebzig Pfund die Treppe hinaufzuschleppen – ganz zu schweigen von der Decke, in die sie ihn hatte einhüllen müssen –, war mehr, als sein müdes Gehirn sich jetzt vorstellen konnte.
„Trink das jetzt“, sagte sie und hielt die volle Tasse an seine Lippen. Er fing an zu schlucken, hielt aber dann so plötzlich inne, daß ein Teil der Flüssigkeit heruntertropfte. Plötzlich hatte er erkannt, daß das vielleicht Kaffee war. Dabei hatte er in den letzten vierundzwanzig Stunden unzählige Tassen Kaffee in Schnellimbissen und aus Kaffeemaschinen getrunken, so daß ihm allein von dem Gedanken übel wurde.
Aber dann beruhigte ihn der Geschmack, den er auf den Lippen empfunden hatte, und der Duft, der von der Flüssigkeit ausging. Es war heiße Fleischbrühe mit Gemüseeinlage, und die schmeckte wie eine fremdartige, wundersame Delikatesse aus einem fernen Land. Er war ebenso hungrig wie durstig, und ein Schüttelfrost, der sich mit dem Fieber in seinem Kopf angefreundet hatte, rüttelte ihn vom Kopf bis zu den Zehen.
Eineinhalb Tassen von der Suppe schluckte er hinunter – und dann war er plötzlich voll. Keinen weiteren Tropfen brachte er hinunter, und er kniff die Lippen zusammen und versuchte gleichzeitig, die Hand unter der Decke hervorzuarbeiten, um die Tasse wegzuschieben. Aber Mele begriff und nahm die Tasse weg.
„Jetzt schluck das“, sagte sie und holte ein paar Pillen und eine Tasse mit Wasser. „Das sind Antibiotica, Achrocidin.“
Er nahm die Pillen in den Mund und schluckte das kalte Wasser.
„Jason“, sagte sie und stellte die Tasse weg. „Hast du getan … was die behaupten?“
„Was?“ fragte er. „Was … behaupten die denn?“
„Hast du einen Filmstreifen an die Aufzeichnung gehängt, die Kator gemacht hat, und den Ruml gesagt, daß wir über sie Bescheid wissen und was es mit den Ködern auf sich hatte und ihnen ein Bild unserer Kriegsschiffe im Weltraum gezeigt?“
„Ja“, sagte er heiser, denn seine Kehle hatte inzwischen zu schmerzen begonnen. „Ich mußte. Weißt du …“
„Du brauchst es mir nicht zu erklären.“ Sie starrte ihn immer noch an, immer noch auf den Knien. „Mir ist es gleichgültig, warum du es getan hast. Als Swenson zu mir kam, um festzustellen, ob ich etwas über deine Pläne wußte, versuchte ich mir vorzustellen, warum du so etwas tun konntest – den einzigen Vorteil, den wir besaßen, den Fremden
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