Mit den Augen eines Kindes
bockiges Pferd.
Die ganze Zeit hatte ich Ollis Stimmchen im Kopf. «Ich hab mich hinter dem Zaun versteckt. Da konnte mich keiner sehen.» Ich war sicher, dass Maren ihn sehr wohl gesehen hatte, als sie Godbergs Haustür öffnete und die Straße entlangschaute. Und dass ich nur aus dem Grund dreimal ins Hotel bestellt worden war. Das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Wenn du wüsstest, was ich zwischen dem Stroh so alles in meinem Kopf habe, würdest du die Klappe nicht so weit aufreißen. Scheiße, Scheiße, dachte ich unentwegt, zu mehr reichte es nicht.
Godbergs Haus lag – aus der Entfernung betrachtet – friedlich und wie ausgestorben da. Um halb acht meinte ich, an einem der oberen Fenster ein kleines Kind auszumachen. Näher heran wagte ich mich nicht. Inzwischen war der eifrige Gärtner aufmerksam geworden. «He, Sie, suchen Sie was?»
Ich erzählte ihm eine verworrene Geschichte von einem Schlüssel, den mein Sohn in dieser Gegend verloren haben müsse, und ging zurück zu meinem Auto.
Um zehn vor acht hielt Jochen kurz bei mir an. Korrekt mit Anzug, Hemd und Krawatte bekleidet, sah er aus wie einer, der seiner Mutter teuren Nippes schenkte. Er nahm die fünfhundert Euro in Empfang und versuchte sich noch an einer Aufmunterung. «Nun lass den Kopf nicht hängen. In spätestens einer halben Stunde wissen wir, ob Alex dringend ein paar Spezialisten braucht, oder ob du dich umsonst aufgeregt hast. Na ja, völlig umsonst nicht.»
Er grinste, steckte die Geldscheine ein und stieg wieder in seinen Kombi. Ich fuhr nach Hause. Und während Hanne sich erbarmte, mir zwei Spiegeleier briet und ich allein vom Geruch schon restlos satt war, versuchte Jochen sein Glück bei Alex. Doch es war scheinbar alles in bester Ordnung.
Alex spielte bereitwillig mit, präsentierte sich als der Mann, den Jochen bei seinen Ermittlungen kennen gelernt hatte, überheblich, amüsiert und die Bemühungen der Polizei keinesfalls ernst nehmend. Er begrüßte «Henning Grossert» mit einem Bedauern für den Zusammenstoß ihrer Fahrzeuge und freute sich, dass dieses Missgeschick nun noch ein kleines, durchaus angenehmes Nachspiel hatte. Jochen kam sich ziemlich verarscht vor.
Im Wohnzimmer sah es kahl aus. Keine Teppiche mehr auf dem Parkett, nur noch zwei Bilder an den Wänden. Das Kunstwerk von Uhr, das ich bei unserem Rundgang nach dem Einbruch bewundert hatte, stand auch nicht mehr auf dem Schrank. Alex erklärte die Nacktheit ungefragt damit, er wolle auswandern und sei dabei, seinen Haushalt aufzulösen.
Auf dem Wohnzimmertisch stand ein Figürchen bereit, aber dort konnte man nicht ungehört reden. Jochen versuchte es mit Zetteln, die er – bereits beschriftet – in der Jacketttasche trug. «Brauchen Sie Hilfe?»
«Wo ist Ihre Frau?»
Alex schüttelte nur den Kopf. Obwohl die Frage nach Ellas Aufenthaltsort damit nicht beantwortet war, machte er keine Anstalten, den Kugelschreiber zu ergreifen, den
Jochen ihm hinhielt. Also behauptete Jochen, das Figürchen sei nicht ganz das, was er sich als Geschenk für die Frau Mama vorgestellt habe. Er wolle gerne selbst eins aussuchen. Er hoffte darauf, in den Keller geführt zu werden, da hätte er reden können.
Den Gefallen tat Alex ihm jedoch nicht. «Viel Auswahl kann ich Ihnen leider nicht mehr bieten, Herr Grossert», sagte er.
«Die besonders wertvollen Stücke liegen bereits für die Verschiffung eingepackt in Kisten. Aber die Gänseliesel wird Ihrer Frau Mutter bestimmt gefallen.»
Die holte er dann alleine, setzte ordnungsgemäß einen Kaufvertrag auf, knöpfte Jochen mein Geld ab. Und das war’s.
Eine Frau bekam Jochen nicht zu Gesicht. Allerdings hörte er zwei Stimmen aus dem oberen Stockwerk, die weinerliche eines Kindes und eine weibliche. Während sein Vater mit «Henning Grossert» im kahlen Wohnzimmer saß, wurde Sven im Obergeschoss aufgefordert, sich die Zähne gründlich zu putzen, ob von Maren oder einer anderen Frau, konnte Jochen nicht feststellen.
Er kam anschließend mit der Gänseliesel, dem Kaufvertrag und einem Aufnahmegerät zu mir, das er ebenfalls in einer Jacketttasche gehabt hatte. Kaum hatte er die Frauenstimme erwähnt, wollte Hanne zum Telefon. Sie hatte längst begriffen, dass es sich nicht um eine offizielle Polizeiaktion handelte, und nahm wohl an, Jochen unterstütze mich, wie er es vor neun Jahren getan hatte.
«Das ist mir aber jetzt zu dumm. Ihr mit euren Faxen. Das konntet ihr mit Karola machen, mit mir nicht. Jetzt rufe
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