Mit den Augen eines Kindes
ich an, und dann werden wir …»
«Das wirst du auf gar keinen Fall tun», unterbrach ich sie.
Hanne funkelte mich wütend an. Sie machte keine Anstalten, sich wieder zu setzen. «Warum nicht? Ich kenne Ellas Stimme. Wenn sie daheim ist, könnt ihr euch den Zirkus …»
«Frau Godberg war es mit Sicherheit nicht», schnitt nun Jochen ihr das Wort ab. «Mit ihr habe ich mich unterhalten, ich hätte ihre Stimme erkannt.»
Wir hörten das Band ab, mehrmals hintereinander. An einer bestimmten Stelle sagte Jochen jedes Mal: «Jetzt.» Aber so aufmerksam ich auch lauschte, ich hörte nur Alex reden. Hanne erging es nicht besser.
«Da ist etwas faul», meinte Jochen. «Von Haushaltsauflösung und Auswanderung hätte er nicht ohne Not ausgerechnet dem Polizisten erzählt, der ihn der Hehlerei verdächtigt und mit dem Namen Grossert bewiesen hat, dass er einem Betrug auf die Spur gekommen ist. Und die besonders wertvollen Stücke in Kisten hat er irgendwie komisch betont. Ich schätze, er will nur nicht, dass wir uns einmischen.»
Jochen lotete unsere Möglichkeiten aus. Wir könnten uns um die neue Gespielin von Henning Grossert kümmern, das hielt ich für Zeitverschwendung. Wir konnten auch versuchen, etwas Licht in Marens Umgang zu bringen, ehe ich mich beim Chef als triebgesteuert outete. Rex, Clubbesitzer, Hamburger Fiesling und lichtscheues Gesindel, das war ziemlich vage. Und wozu gab es Standesämter, Einwohnermeldeämter, entlassene Geschäftsführer und Computer, mit denen sein neuer Duzfreund so vortrefflich umgehen konnte.
Dienstag, 3. Juni
Jochen machte sich nach Dienstbeginn umgehend an die Arbeit, tatkräftig unterstützt von Andreas Nießen. Unser Internetfahnder betrachtete es als Abwechslung vom gewohnten Alltag. Möglicherweise eine Entführung. Vielleicht eine riesengroße Sache, die unsereins normalerweise nur aus gebührender Entfernung mitbekam. Ein Fall für psychologisch geschulte Spezialisten und andere Leute mit einschlägiger Erfahrung. Mit anderen Worten: ein Fall für die Kriminalhauptstelle Köln oder das LKA.
Das heißt nicht, dass ich Jochens Vorgehensweise im Nachhinein kritisiere. Er überschritt keine Kompetenzen, fuhr nur nach Kerpen, um mit Fred Pavlow zu sprechen. Dass Andreas Nießen mit seinen Aktivitäten brutale Gangster aus ihren Löchern aufscheuchte und zum Äußersten trieb, kann ich auch ausschließen. Er tat, was ich mir nach der Einladung zum Klassentreffen verkniffen hatte, holte ein paar Erkundigungen bei Hamburger Behörden und der Telekom ein – völlig legal.
Maren war seit zwei Jahren ordnungsgemäß in der Hansestadt gemeldet und arbeitete auch als Immobilienmaklerin. Sie wohnte allerdings nicht an der Außenalster, sondern in einem preiswerten Randbezirk. Separate Firmenräume hatte sie nicht, ihr Büro musste sich in der Wohnung befinden. Von einer Eheschließung war nichts bekannt.
Bis Februar war sie recht nobel motorisiert gewesen, hatte einen Mercedes besessen. Den hatte sie offenbar verkauft und fuhr seitdem ganz bescheiden einen VW Golf Baujahr 94, den sie der väterlichen Firma entnommen hatte. Der Wagen war ordnungsgemäß in Hamburg zugelassen – mit dem Kennzeichen, das ich nach dem Klassentreffen gesehen hatte.
«Die haben ihr das Auto wahrscheinlich abgenommen, damit sie keine Extratouren macht», mutmaßte Andreas Nießen.
«Dann haben sie die Kennzeichen von dem 92er Golf angebracht, der noch auf die Firma zugelassen ist. Das erregt weniger Aufmerksamkeit als ein Auto mit einer Nummer von auswärts. Es fällt nicht mal bei einer Verkehrskontrolle auf, wenn nicht jemand ganz genau hinschaut. Zwei Jahre mehr oder weniger sieht man einem alten Golf nicht an.»
Die! Damit waren Rex und der kleine Mann gemeint. Um etwas über die beiden Männer herauszufinden, hätte Andreas Nießen entschieden mehr Anhaltspunkte gebraucht. Die bekam er auch. Jochens Unterhaltung mit Fred Pavlow brachte uns einen sehr großen Schritt weiter.
Koskas ehemaliger Geschäftsführer hatte bei allem, was ihm lieb und teuer war, versichert, mit keinem Menschen, auch nicht mit seiner Frau, über den unerwarteten Besuch eines Kriminalhauptkommissars zu reden. Gefreut hatte er sich, dass die Kripo die Koska-Tochter und ihren widerlichen Umgang mal unter die Lupe nehmen wollte. Bereitwillig hatte er Jochen alles erzählt, was er wusste. Und das deckte sich auch mit dem, was meine Mutter von sich gegeben hatte.
Es hatte ja ständig Probleme mit Maren gegeben. Bis zum
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