Mit der Hoelle haette ich leben koennen
kämpfte.
Die Ereignisse in der Heimat meiner Mutter und meiner Schwester ließen mich in den folgenden Jahren nicht los; aufmerksam verfolgte ich in den Medien, was mehrere Tausend Kilometer entfernt geschah. Im Alter von achtzehn Jahren - ich besuchte damals eine höhere Handelsschule - gründete ich eine Initiative namens »Schülerhilfe Bosnien«. Gemeinsam mit Freunden sammelte ich zunächst bei Schulkameraden, Nachbarn und Freunden Kleidung, Lebensmittel und Medikamente, um den Menschen in Bosnien zu helfen. Kaum hatte ich den Führerschein gemacht, startete ich mit Unterstützung des Schuldirektors den ersten Hilfskonvoi.
Mit zwei Schulkameraden, Henning und Ralf, fuhr ich auf eigene Faust nach Bosnien, wo wir die gesammelten Hilfsgüter einer Nonne übergeben wollten, die einem karitativen Verband angehörte. Meine Mutter, die sie entfernt kannte, hatte mir ihre Adresse gegeben. Unser Vorhaben hatten wir Wochen vorher in Interviews mit einer Tageszeitung beworben und um Spenden jeglicher Art gebeten. Auch meine ehemalige Grundschule in
Sutthausen unterstützte mich nach Kräften, und so kam einiges zusammen: Medikamente, Gehstützen, Lebensmittel, Decken, Kleidung - all das wollten wir stolz überbringen.
Als wir nach einer endlos langen Fahrt über holprige und staubige Straßen unser Ziel erreichten und uns nach der Nonne erkundigten, kam ein älterer Mann mit einem Gewehr im Anschlag auf uns zu.
»Was wollt ihr von der Frau?«, fragte er und musterte uns finster.
Ich schilderte ihm unser Anliegen.
Wider Erwarten ließ er uns passieren, so dass wir kurz darauf der Nonne die Spenden übergeben konnten. Sie war sehr nett und stellte uns eine Bescheinigung aus - dafür, dass sie die Spenden erhalten hatte.
Trotzdem war ich unzufrieden. Zwar waren wir mit unserem auf die Schnelle organisierten Konvoi so weit vorgedrungen, wie es nur möglich war, aber dass wir nicht an vorderster Front Hilfe leisten konnten, wollte ich nicht akzeptieren.
Nach dem Treffen mit der Nonne, die uns freundlicherweise ein Quartier für die Nacht gestellt hatte, schauten wir uns noch ein wenig um. Mein Blick fiel auf die vielen zerstörten Häuser, die Schutthaufen, die ausgebrannten Autos, die mit Schlaglöchern übersäten Straßen und die unzähligen Einschusslöcher in den Häuserwänden. All das schien für die Menschen hier Alltag zu sein.
Ich war entsetzt über das, was ich gesehen hatte, so dass wir auf der Rückfahrt nach Deutschland lange und intensiv miteinander diskutieren mussten. Als wir wieder im sicheren Osnabrück ankamen, war ich nahezu besessen von der Idee, einen Schritt weiter zu gehen und den Betroffenen direkt zu helfen. Heute weiß ich: Ich habe mich da überschätzt. Doch damals dachte ich, ich könnte gegen das Elend der Menschen und damit gegen den
Krieg ankämpfen. Aber wer den Krieg zum Gegner hat, kann niemals gewinnen.
Das Dorf, in das wir die Hilfsgüter gebracht hatten, war ein Ort, über den der Orkan des Krieges bereits hinweggefegt war - das schien offensichtlich. Was es heißt, sich mitten im Kriegsgeschehen zu befinden, das hätte ich mir in meinen schlimmsten Alpträumen nicht ausmalen können. Ich sollte es aber bald erfahren …
Zwei Jahre später besuchte ich mit einem Bekannten eine Art Jobbörse in Osnabrück. Ich hatte inzwischen Bürokauffrau gelernt, war aber in dem Beruf alles andere als glücklich und wollte mich deshalb nach Alternativen umsehen. Immer schon wollte ich Ärztin werden, schreckte jedoch vor einem Studium zurück. Aber vielleicht entdeckte ich ja etwas, das mir den Weg dorthin ebnete - das erhoffte ich mir jedenfalls von der Jobbörse.
An einem Stand der Bundeswehr blieben wir voll Neugier stehen. Rasch kam ich mit einem Rekrutierungsfeldwebel ins Gespräch, mit dem ich mich lange und gut unterhielt. Er hakte genauer nach, als ich ihm von meinen Hilfskonvois erzählte, und erkundigte sich interessiert, weshalb ich Menschen in Not helfen wollte. Schließlich stellte er mir eine Frage, die mein Leben komplett umkrempeln sollte:
»Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, Hilfe an vorderster Front zu leisten?«
Zack!
Ich war gefangen.
Natürlich wollte ich das! »Klar«, antwortete ich spontan - meine Augen müssen dabei geleuchtet haben.
Die vielen Menschen um mich bemerkte ich gar nicht, ich war völlig gebannt von dem, was mir der Feldwebel erzählte. Noch
an Ort und Stelle beschloss ich, sein Angebot anzunehmen. Wenn mir die Bundeswehr tatsächlich
Weitere Kostenlose Bücher