Mit der Hoelle haette ich leben koennen
tüchtig ins Zeug legen. Auch bei diesem Lehrgang kämpfte jede Gruppe um das bestmögliche Abschneiden, so dass alle mit Elan bei der Sache waren. Einer für alle und alle für einen, lautete das Motto.
Schnell trennte sich die Spreu vom Weizen: Bei der aus sieben Einzeltests bestehenden Abschlussprüfung fielen siebzig Prozent der Kursteilnehmer durch. Dabei war die hohe Durchfallquote durchaus beabsichtigt - die Bundeswehr bezeichnet den Vorlauf nicht umsonst als »natürliche Selektion«. Nur der Fähige soll überleben. Für mich war es jedenfalls die erste Begegnung mit den »Kollateralschäden«, mit denen man als Soldat zu rechnen hat.
Nach der Tortur der Prüfung sollte ich in die mir zugewiesene Stammeinheit kommen - nach Heide in Schleswig-Holstein. Bei der Ankunft in der Kaserne empfing mich ein übergewichtiger, glatzköpfiger Spieß, der mir sofort in einem Einzelgespräch in abschätzigem Tonfall mitteilte: »Ich weiß beim besten Willen nicht, wo ich Sie einsetzen soll.«
Ich zuckte nur die Schultern. Es erschien mir grotesk, dass der Dienstherr von mir verlangte, täglich Sport zu treiben, und diese Aktivitäten von einem Hundertfünfzig-Kilo-Mann überwachen ließ, der wegen seines mächtigen Bauches im Stehen nicht mal seine Füße sehen konnte.
Oberfeldwebel Mader und mich verband in den gut vierzehn Monaten, die ich in Heide stationiert war, ein gesunder Hass. Wir mochten uns partout nicht leiden, und das konnte und durfte
auch jeder wissen. Ich empfand es als Privileg, dass er mich nicht mochte, denn es wertete mich als Menschen nur auf.
Jedenfalls machte mir Herr Mader das Leben schwer, wo er nur konnte. Beispielsweise schickte er mich als Truppenführer zusammen mit einem Fahrer mitten im Winter auf eine Übung nach Jagel bei Schleswig. Ich hatte den Auftrag, einer Luftwaffensicherungseinheit bei einer zweiundsiebzig Stunden dauernden Schlafentzugsübung medizinisch beizustehen. Es herrschten Temperaturen im zweistelligen Bereich unter null, doch der Kommandeur des Truppenübungsplatzes, auf dem wir uns befanden, ließ keine Wärmequellen zu. Damit war nicht nur kein Feuer erlaubt, ich durfte auch die Standheizung des Krankenwagens nicht einschalten. Als Freigeist war mir dieser Befehl jedoch schnurzpiepegal, vor allem nachdem ich festgestellt hatte, dass selbst der mitgebrachte Tee eingefroren war. Ich stellte die Standheizung also auf zwanzig Grad ein und legte mich schlafen.
Am nächsten Morgen weckte mich ein wütendes Donnern gegen die Wagentür.
Völlig verschlafen kroch ich aus dem wohlig warmen Schlafsack und öffnete die Tür. Noch ehe ich ein Wort sagen konnte, brüllte mein Gegenüber auch schon los.
»Obergefreiter Matijević? Sie haben sich sofort beim Kommandeur zu melden. Das ist keine Bitte. Tempo!« Sprach’s und verschwand aus meinem Blickfeld.
Mürrisch zog ich mich an und schlurfte zur Kommandantur.
»Stehen Sie bequem! Der Anschiss dauert nämlich länger!« Mit diesen Worten empfing mich ein übelgelaunter Oberstleutnant.
Kein Kaffee, kein »Guten Morgen« - nichts.
Dann folgte eine Standpauke. Wie sich herausstellte, hatte die Einsatzleitung in der Nacht einen Tornado mit Wärmebildkameras
über das Gelände fliegen lassen. Das gesamte Areal war pechschwarz - bis auf meinen kuscheligen zwanzig Grad warmen Krankenwagen, der auf den Kamerabildern in einem fröhlichen Purpurrot erstrahlte. So stand ich also jetzt etwas dumm da - und wurde, ohne dass mich der Oberstleutnant berührte, nach allen Regeln der Kunst geföhnt und gestriegelt.
Doch auch heute würde ich es nicht anders machen. Es war erbärmlich kalt in jener Nacht, und als ich den Soldateneid ablegte, hatte schließlich niemand von mir zu schwören verlangt, dass ich mich nicht vor dem Tod durchs Erfrieren bewahren durfte. Ich war und blieb ein Schönwettersoldat.
Das einzig Positive, was diese herbe Begebenheit hervorbrachte, war: Man schickte mich während meiner Zeit in Heide nicht mehr auf Übung.
Wohl oder übel musste sich Oberfeldwebel Mader nun also erst recht Gedanken machen, wo und wie er mich einzusetzen gedachte. Obwohl oder gerade weil er um meine Leidenschaft für den Rettungsdienst wusste, machte er mich prompt zum Geschäftszimmersoldaten im Vorzimmer der Zahnarztstaffel. Dort waren meine medizinischen Kenntnisse nicht nur nicht erwünscht, sondern schlicht fehl am Platze. Mehr als einmal verfluchte ich ihn dafür, doch es nutzte nichts. Mir schien fast, als fielen gerade jene
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