Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Matijevic
Vom Netzwerk:
mich befinde. In Schweiß gebadet versuche ich mich zu »erden«. Das gelingt mir am ehesten, indem ich die Dinge um mich herum berühre. Nur so kann ich sicher sein, was wirklich ist und was nicht. Meine Hände wandern über die Wand, das Bett, den Fußboden. Ich versuche, mit der Realität in Kontakt zu treten, doch es gelingt mir nur langsam, mühevoll, zäh.
    Mein Puls hat die Frequenz eines Kolibri-Flügelschlags, als mir nach etlichen unendlich langen Minuten klarwird, dass ich doch zu Hause in meiner Wohnung bin: in Deutschland, in Sicherheit. Die Bilder vom Stall, von den verbrannten Menschen waren nur ein Ausschnitt jenes Alptraums, der so sicher wie das Amen in der Kirche Nacht für Nacht über mich hereinbricht.
    Es ist nicht immer derselbe Traum, doch die Szene mit den verkohlten Leichen im Stall hat eine Präsenz, die mich jedes Mal fürchten lässt, den Verstand zu verlieren.
    Noch immer pumpt mein Körper Adrenalin durch meine Adern, und nur langsam beruhigt sich mein Atem. Ich frage mich Mal um Mal, wenn ich diesen Traum durchlebe, was wohl aus meinem Kameraden geworden ist, der in die Büsche gekotzt hat.
    Warum beschäftigt er mich so? Warum muss ich mehr an ihn denken als an mich? Ist das ein Vermeidungsverhalten? Verdränge ich so die Bilder? Ich werfe einen Blick auf den Wecker neben dem Bett: 05.12 Uhr. Die Nacht ist gelaufen. Gerädert blicke ich auf die leere Straße, die im Schein der Straßenlaterne so friedlich wirkt, und versuche mir einzubläuen, dass mich nur böse Erinnerungen heimgesucht haben, mehr nicht. Wenn es sich bloß nicht jedes Mal so verdammt echt anfühlen würde!
    »Du bist hier sicher, Daniela«, flüstere ich in die Dunkelheit des Zimmers. »Dir kann nichts passieren. Jetzt nicht mehr.«

    Der Lichtschein, der aus einem Fenster im Haus gegenüber zu mir dringt, beruhigt mich ein wenig. Auch wenn ich gleichzeitig weiß, dass mich die alptraumhaften Bilder niemals verlassen werden, nie, ganz egal wie viel Zeit vergehen mag.
    Wenn ich nur nicht das verdammte Gefühl hätte, alles wie in einer endlosen Schleife immer wieder und wieder zu durchleben. Resigniert öffne ich das Fenster. Es ist mir völlig egal, ob es draußen kalt oder warm ist. Gierig sauge ich die Nachtluft ein, so tief wie möglich, damit ich spüre, dass ich lebe.
    Ich würde so gerne weinen können …
    Ich würde so gerne weinen können …
    Ich würde so gerne weinen können …
    Ich würde so gerne weinen können …
    Ich würde so gerne weinen können …

Krieg

Mit einer PTBS 1 zu leben,
das ist, als trüge man
am ganzen Körper Prothesen.
Die größte und schmerzendste
Prothese, das ist eine
zwischen Kopf und Bauch.
Sie steckt dort, wo
Leute, die noch an das Gute
im Menschen glauben,
die »Seele« vermuten.
    1.
    Nie hätte ich mir träumen lassen, dass es mich einmal derart eiskalt erwischen könnte. Dass mein Wunsch, zur Bundeswehr zu gehen, den Menschen in meinem Heimatland zu helfen, solche Folgen haben könnte. Dass mein Einsatz im Kosovo mich so sehr zermürben sollte. Dass ich deswegen nicht mehr richtig schlafen würde - in keiner einzigen Nacht. Dass mir mein Leben entglitte, zur Hölle würde. Schließlich hatte alles einmal so hoffnungsvoll angefangen …
     
    Ich war vierzehn, als ich das Haus meiner Großeltern und auch meinen heiß geliebten Cousin in Bosnien-Herzegowina zum letzten Mal sah. Ein wunderbarer Sommer voller Lachen und mit jeder Menge Spaß, voller schöner Erlebnisse lag hinter mir. Anders als meine Schwester wurde ich in Deutschland, genauer gesagt in Osnabrück, geboren und kannte die Heimat meiner Eltern und Großeltern nur als Urlaubsland. Nichts deutete dar-auf
hin, dass ich das Haus und meine Großeltern nie wieder sehen sollte …
    Kurz nach meinem Urlaub kam es nämlich zum Krieg auf dem Balkan, und im Heimatdorf meiner Großeltern flammte der Hass so intensiv auf, dass schon bald nicht mehr klar war, wer Freund und wer Feind ist. Jeder schien gegen jeden zu kämpfen - wobei ich nicht verstand, worüber sich die feindlichen Parteien überhaupt stritten. So vergingen viele Jahre, in denen ich immer wieder hoffte, meine Familie in dem Zustand wiederzusehen, wie ich sie verlassen hatte. Doch der Krieg dauerte an, und eine Brutalität jagte die nächste. In Deutschland bekam ich nicht viel davon mit, was das für meine Verwandten bedeutete, ich wusste nur, dass mein Lieblingscousin sich der Miliz angeschlossen hatte und mein Onkel gemeinsam mit ihm

Weitere Kostenlose Bücher