Mit der Liebe eines Highlanders
ruhige Wasseroberfläche abzusuchen. Dort … unweit des gegenüberliegenden Ufers war Bewegung auszumachen.
Etwas schwamm auf sie zu.
Sadie beugte sich vor, um besser sehen zu können. Die Elchkuh hörte sie, schwenkte blitzschnell den Kopf in ihre Richtung und starrte sie direkt an. Für einen Augenblick trafen sich ihre Blicke.
In diesen Wäldern gab es kaum etwas, das einen ausgewachsenen Elch bedrohte, doch musste ein Muttertier besonders auf der Hut sein, da ihr Kalb verletzlich war. Sadies Gegenwart und das heranschwimmende Objekt waren offensichtlich mehr, als eine Elchkuh ertragen konnte. Sie stieß ein leises warnendes Knurren aus und trat, ihr Kalb vor sich herschubsend, aus der Bucht.
Mit einem bedauernden Seufzer, weil sie das Tier verscheucht hatte, wandte Sadie ihre Aufmerksamkeit wieder dem See zu. Sie konnte sich nicht vorstellen, was über die größte Ausdehnung der Wasserfläche schwimmen mochte, wenn es doch viel einfacher war, das Ufer zu umrunden. Die meisten Tiere waren von Natur aus bequem, besser gesagt, sie setzten ihre Energie umsichtiger ein.
Was immer auf sie zuschwamm, war zu klein, um ein Elch zu sein, und zu groß für eine Moschusratte oder einen Fischotter. Sadie stellte das Objektiv schärfer ein und setzte ihre Beobachtung fort, bis sie schließlich Arme unterscheiden konnte. Sich hebend und senkend bahnten sie sich einen Weg durchs Wasser.
Arme? Durchschwamm ein Mensch den See?
Sadie konnte die Menschen, denen sie im Sommer begegnet war, an Fingern und Zehen abzählen: Kajakfahrer, die vor neun Wochen das letzte Frühjahrsschmelzwasser genutzt hatten, ein Biologe, ein Wildhüter, eine kleine Anglergruppe und zwei Pilzsammler, ein Ehepaar in mittleren Jahren aus Pine Creek.
Sadie verkroch sich tiefer ins Gebüsch und achtete darauf, dass sie gut verborgen blieb, während er immer näher kam. Ja, nun konnte sie sehen, dass es ein Mann war. Und dass er breite Schultern und lange, kräftige Arme hatte, die das Wasser mit erstaunlicher Leichtigkeit durchschnitten.
Die kleine Bucht, in der sie sich verbarg und auf die er zuhielt, war mit Steinblöcken übersät. Der Schwimmer bewegte sich mit träger, rhythmischer Anmut auf einen der größeren Felsbrocken zu. Er legte zwei Hände auf den Stein und zog sich mit einer einzigen kraftvollen, fließenden Bewegung aus dem Wasser.
Sadie zwinkerte, dann riss sie ihren Blick vom Sucher los. Es bedurfte nicht der Deutlichkeit des Teleobjektivs, um zu erkennen, dass der Mann nackt war.
Wieder blickte sie durch die Kamera und stellte die Schärfe ein. Nackt wie am Tag seiner Geburt saß er auf dem Felsblock, strich sich das Haar aus dem Gesicht und wrang es in einem Pferdeschwanz im Nacken aus.
Verflixt … das schulterlange dunkelblonde Haar des Burschen war fast so lang wie ihres. Sadie schob den Zoom ihres Objektivs näher heran und richtete ihn auf den Oberkörper des Mannes. Fast wäre ihr die Kamera aus der Hand geglitten, als er in den Brennpunkt rückte. Er war mächtig, und das war keine optische Täuschung. Seine Schultern füllten den Sucher aus, und als er beide Hände hob, um sich das Wasser von der Stirn zu wischen, dehnte sein Brustkorb sich zu Proportionen, die eines Herkules würdig waren.
Sadie registrierte, dass der Kerl von seiner Schwimmtour gar nicht außer Atem war. Seine breite und muskelbepackte Brust, die mit einer dichten, nassen, dunklen Haarmatte bedeckt war, hob und senkte sich in einem gleichmäßigen Rhythmus, als hätte er nur ein paar Stufen erklommen.
Wer war dieser Halbgott des Waldes?
Sadie zoomte sich noch näher heran und nahm sein Gesicht aufs Korn. Aus dem Ort kannte sie ihn nicht. Sie war erst seit einigen Monaten wieder zurück in der Gegend um Pine Creek und war nur sechs- oder siebenmal in den Ort gefahren, um sich mit Vorräten einzudecken, doch hätte sie sich ein so markantes und gut aussehendes Gesicht an einem Mann dieser Größe gemerkt. Ganz sicher wären ihr so auffallend grüne Augen in einem so umwerfend tollen Gesicht im Gedächtnis geblieben. Sein von einem rötlich blonden Mehrtagesbart verbrämtes Kinn war kantig, streng und wirkte eigensinnig. Um den kräftigen Hals trug er ein Lederband mit einer merkwürdig geformten Kugel, die ihm auf die Brust hing.
Sadie stellte das Teleobjektiv wieder so ein, dass sie seinen Körper als Ganzes im Sucher hatte. Sein Leib war flach und muskulös. Er hatte lange, kraftvoll wirkende Schenkel, ausgeprägte Waden, und sogar seine
Weitere Kostenlose Bücher