Mit der Liebe eines Highlanders
nicht, dass du diese auch überstehen wirst. Du bist ein wilder Kämpfer, Morgan MacKeage. Und jetzt hör mir gut zu. Du bist nicht unbesiegbar. Die Schwärze ist eine mächtige Lebenskraft ohne Güte, Mitgefühl oder Gewissen. Sie verschlingt alles, was sich ihr in den Weg stellt – dich, das gelbe Licht und schließlich dieses ganze Tal, wenn sie es schafft, dich auszutricksen. Dieses kleine Stückchen meines Stabes wird deine stärkste Waffe gegen sie sein.«
Der Krieger brauchte eine Weile, um Daars Worte zu verdauen.
Schließlich beugte Morgan sich vor und senkte den Kopf, damit der Zauberer ihm die Schnur um den Hals legen konnte. Dann schob Daar den Astknoten in die Mitte von Morgans Brust, als dieser sich aufrichtete.
»Wenn es wirken soll, musst du daran glauben«, erklärte Daar, der zurücktrat, um sein Werk zu bewundern. »Und ihm deine Intelligenz leihen. Dieser Knoten besitzt nicht von sich aus Kraft. Du musst selbst herausfinden, wie du ihn am besten stärkst.«
Reglos wie die Berge sah Morgan ihn finster und mit angehaltenem Atem an. »Wie …« Er schluckte schwer. »Wie geht das?«
Der Alte tat die Frage mit einer Handbewegung ab. »Das wirst du zu gegebener Zeit selbst sehen.«
Er gab Morgan seinen Dolch zurück. Als fürchte er, durch jähe Bewegungen auf der Stelle verbrannt zu werden, streckte der Krieger vorsichtig die Hand aus und nahm die Waffe entgegen, die er langsam zurück in seinen Gürtel steckte.
»Ach, noch etwas, Morgan. Du darfst auch nicht andeutungsweise verraten, was hier heute vor sich ging, schon gar nicht deinem Bruder. Kein Wort von dem ungewöhnlichen Zustand dieser Schlucht, von deiner Vision oder meinem speziellen Geschenk«, sagte Daar, auf den Astknoten deutend. »Greylen soll nicht wissen, dass ein Teil meines alten Stabes noch existiert, vor allem aber soll er nicht wissen, dass mein neuer Stab an Kraft zunimmt.«
Erstes Anzeichen dafür, dass Morgan sich wieder entspannte, war sein zu einem Grinsen hochgezogener Mundwinkel. »Keine Angst, Alter, ich verrate nichts.«
Plötzlich zuckte Daars Nase. Was brannte hier? Er blickte um sich. Die kleinen Brände, die der Funken sprühende Astknorren entfacht hatte, waren erloschen. Das Lagerfeuer aber brannte hell.
»Verdammt! Die Fische!« Der Knoten um seinen Hals war vergessen, als Morgan ans Feuer stürzte und die Forellen aus den Flammen zog. Er hob sie in die Höhe und drehte sich grinsend zu Daar um.
»Keine Sorge, sie sind nur von außen ein wenig angebrannt.«
Morgan trat gegen das Feuer und erstickte die Flammen, so dass nur ein paar glosende Teile blieben. Dann legte er die Fische auf die Glut, um sie langsam fertig zu braten. Daar gesellte sich wieder zu ihm, und gemeinsam setzten sie sich ans Feuer.
Morgan blickte zum Wald hin, in die Richtung, in die Faol gerannt war. »Glaubst du, dass er zurückkommt?«, fragte er.
»Ja. Er ist sicher nicht weit. Vermutlich beobachtet er uns jetzt.«
Als Morgan zögernd nach der Halsschnur aus ungegerbtem Leder griff und langsam die Faust über dem Astknoten schloss, wurden seine Augen groß vor Staunen.
»Er ist warm.«
Daar nickte. »Ja. Er war zornig, weil er von der kollektiven Energie des Stabes getrennt wurde«, erklärte er. »Jetzt ist er zufrieden. Er spürt deine Kraft, Krieger. Er wird dich mit aller Kraft schützen.«
Faol kehrte still an den Rand der Lichtung zurück und ließ sich neben seiner Forelle nieder. Diesmal ließ Morgan sein Schwert und den Dolch stecken. Stattdessen galt die Aufmerksamkeit von Krieger und Wolf dem um Morgans Hals hängenden Astknoten. Faol sah zu, als Morgan ihn kurz betastete, ehe er ihn seinen Blicken entzog und unter sein Hemd steckte.
Daar lächelte. Alles, was sich heute zugetragen hatte, war gut. Morgan war durch ein Geheimnis, das einen lohnenden Kampf verhieß, seine Lebenslust zurückgegeben worden.
Faol hatte ebenfalls eine neue Aufgabe gefunden.
Und Daars Schuldgefühl war ein wenig beschwichtigt.
Nach zehn langen Minuten des Wartens war die Forelle endlich fertig. Als Daar zusah, wie der Schotte fachmännisch ihr Frühstück von den Spießen zog, wurde der Zauberer an einen ähnlichen Moment vor fast achthundert Jahren erinnert. Auch damals hatte es ein Lagerfeuer gegeben, und der alte Laird MacKeage hatte seinen zwei kleinen Söhnen beigebracht, wie man seinen Fang zubereitet.
Was würde Duncan MacKeage heute von seinen Söhnen halten, von ihren Schwierigkeiten und ihrer unglaublichen Zeitreise?
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