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Mit der Reife wird man immer juenger

Mit der Reife wird man immer juenger

Titel: Mit der Reife wird man immer juenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Mann
    Spürt den Wind im Haar, die Nacht und nahenden Schnee. Blickt vom Schattenufer ins Lichte hinüber,
    Wo zwischen Wolke und See ein Streifen
    Fernsten Strandes noch warm im Lichte leuchtet:
    Goldenes Jenseits, selig wie Traum und Dichtung.
    Fest im Auge hält er das leuchtende Bild,
    Denkt der Heimat, denkt seiner guten Jahre,
    Sieht das Gold erbleichen, sieht es erlöschen,
    Wendet sich ab und wandert
    Langsam vom Weidenbaume landeinwärts.

    D as Altwerden ist ja nicht bloß ein Abbauen und Hinwelken, es hat, wie jede Lebensstufe, seine eigenen Werte, seinen eigenen Zauber, seine eigene Weisheit, seine eigene Trauer, und in Zeiten einer einigermaßen blühenden Kultur hat man mit Recht dem Alter eine gewisse Ehrfurcht erwiesen, welche heut von der Jugend in Anspruch genommen wird. Wir wollen das der Jugend nicht weiter übelnehmen. Aber wir wollen uns doch nicht aufschwatzen lassen, das Alter sei nichts wert.
    (Aus einem Brief vom 10. 1. 1937 an Georg Reinhart)
Absterben
    W enn ich Kinder spielen sehe
Und ihr Spiel nicht mehr verstehe
Und ihr Lachen fremd und töricht klingt,
Ach das ist vom bösen Feinde,
Den ich ewig ferne meinte,
Eine Mahnung, die nicht mehr verklingt.

    Wenn ich Liebesleute sehe
Und zufrieden weiter gehe
Ohne Sehnsucht nach dem Paradies,
Ach das ist ein still Verzichten
Auf des Herzens tiefstes Dichten,
Das der Jugend Ewigkeit verhieß.

    Wenn ich böse Reden höre
Und mich nicht mehr heiß empöre
Und gelassen tu, als hört ich’s nicht,
O dann zuckt im Herzen,
Still und ohne Schmerzen,
Und erlischt das heilige Licht.

    D as Altwerden an sich ist ja ein natürlicher Prozeß und ein Mann von 65 oder 75 Jahren ist, wenn er nicht jünger sein will, durchaus ebenso gesund und normal wie einer von 30 oder 50. Aber man ist eben mit seinem eigenen Alter leider nicht immer auf einer Stufe, man eilt innerlich oft voraus, und noch öfter bleibt man hinter ihm zurück – das Bewußtsein und Lebensgefühl ist dann weniger reif als der Körper, wehrt sich gegen dessen natürliche Erscheinungen, und verlangt etwas von sich selber, was es nicht leisten kann.
    (Aus einem Brief 1935 an Hans Sturzenegger)

    M it der Reife wird man immer jünger. Es geht auch mir so, obwohl das wenig sagen will, da ich das Lebensgefühl meiner Knabenjahre im Grund stets beibehalten habe und mein Erwachsensein und Altern immer als eine Art Komödie empfand.
    (Aus einem Brief vom 14. 1. 1922 an Werner Schindler)

    S o wie man in der Jugend zu Zeiten vom Schönen und Angenehmen, von den Freuden des Auges und der Sinne etc. gar nicht genug kriegen kann, so hat man es im Altwerden mit dem Wissen; man meint, man müsse von dem Unendlichen, was auf Erden wißbar ist, so viel wie möglich in sich hineinkriegen, und das ist ein schöner Trieb.
    (Aus einem Brief um 1938 an Fanny Schiler)
[Die letzte Reise dieser Art]
    Ein Fragment

    I ch kannte einen Mann, der war nahezu sechzig Jahre alt und hatte das Leben eines Intellektuellen geführt, bei welchen es nicht selten vorkommt, daß der Körper vernachlässigt wird und weit früher altert und hinfällig wird als der Geist, und so war es auch diesem Manne ergangen: obwohl er weder Amt noch schwere Brotsorgen hatte, obwohl er weder das anstrengende Leben der Großstadt führte noch ein eigentlicher Stubenhocker war, hatte ihn doch das Alter vorzeitig gezeichnet und geschwächt, und während seine Energie, wenn sie im Dienst seiner Gedanken und seiner Arbeit stand, noch die alte zu sein schien, war sie, sobald es sich um körperliche Anstrengungen und Entschlüsse des Willens handelte, ihm doch in bedenklichem Grade abhanden gekommen, und während man den Arbeiten dieses Intellektuellen nachrühmte, sie hätten ihre jugendliche Frische bewahrt, war sein physisches und alltägliches Leben ganz allmählich das eines alten und kranken Menschen geworden, der vielerlei Beschwerden und Schmerzen hat, der mit Essen und Trinken vorsichtig umgeht und in dessen Schlafzimmer sich immer mehr und mehr Flaschen, Töpfchen undGlasröhren mit Medikamenten ansammeln. So hatte das Alter ihn beschlichen und umsponnen, mit der stillen, lautlosen, kaum wahrnehmbaren Unentwegtheit, mit der der Apfel reift und mit der zur Abendstunde sich das Licht von der Erde zurückzieht. Manche sagen ja, daß die Lebensvorgänge in der Natur sich sprungweise vollziehen, aber ich neige mehr zum Glauben an die stille, unmerklich fließende Macht der Natur, wie sie der Dichter Stifter im Geleitwort zu den »Bunten

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