Mit der Reife wird man immer juenger
als ich sie nicht nehme, muß ich wenigstens noch einmal aus ihrer Dose schnupfen.
Es ist in der verrauchten Küche meiner Freundin nicht sehr sauber und gar nicht hygienisch, der Boden ist vollgespuckt, und das Stroh am Stuhl hängt zerrissen herunter, und wenige von euch Lesern würden gern aus dieser Kaffeekanne trinken, dieser alten blechernen Kanne, die schwarz von Ruß und grau von Aschenresten ist und an deren Rändern seit Jahren der vertrocknete eingedickte Kaffee eine feste Kruste gebildet hat. Wir leben hier außerhalb der heutigen Welt und Zeit, etwas ruppig und schäbig zwar, etwas verkommen und gar nicht hygienisch, aber dafür nahe bei Wald und Berg, nahe bei den Ziegen und Hühnern (sie laufen gackernd in der Küche herum), nahe bei den Hexen und Märchen. Der Kaffee aus der krummen Blechkanne schmeckt wundervoll, ein starker tiefschwarzer Kaffee mit einem leisen, aromatischen Anflug vom bittern Geschmack des Holzrauches, und unser Beisammensitzen und Kaffeetrinken und die Schimpfworte und Koseworte und das tapfere alte Gesicht der Nina sind mir unendlich viel lieber als zwölf Tee-Einladungen mit Tanz, als zwölf Abende mit Literaturgespräch im Kreise berühmter Intellektueller – obwohl ich gewiß auch diesen hübschen Dingen ihren relativen Wert nicht absprechen möchte.
Draußen geht jetzt die Sonne weg, Ninas Katze kommt herein und ihr auf den Schoß gesprungen, wärmer leuchtet der Feuerschein an den gekalkten Steinwänden. Wie kalt, wie grausam kalt muß der Winter in dieser hohen, leeren Steinhöhle gewesen sein, nichts drin als das winzige offene Feuerchen, im Kamin flackernd, und die alte einsame Frau mit der Gicht in den Gelenken, ohne andere Gesellschaft als die Katze und die drei Hühner.
Die Katze wird wieder fortgejagt. Nina steht wieder auf, groß und gespenstisch steht sie im Zwielicht, die hagere knochige Gestalt mit dem weißen Schopf über dem streng blickenden Raubvogelgesicht. Sie läßt mich noch nicht fort. Sie hat mich eingeladen, noch eine Stunde ihr Gast zu sein und geht nun, um Brot und Wein zu holen.
(1927)
Im Altwerden
J ung sein und Gutes tun ist leicht,
Und von allem Gemeinen entfernt sein;
Aber lächeln, wenn schon der Herzschlag schleicht,
Das will gelernt sein.
Und wem’s gelingt, der ist nicht alt,
Der steht noch hell in Flammen
Und biegt mit seiner Faust Gewalt
Die Pole der Welt zusammen.
Weil wir den Tod dort warten sehn,
Laß uns nicht stehen bleiben.
Wir wollen ihm entgegengehn,
Wir wollen ihn vertreiben.
Der Tod ist weder dort noch hier,
Er steht auf allen Pfaden.
Er ist in dir und ist in mir,
Sobald wir das Leben verraten.
W eil alte Leute sonst nichts mehr können, als den Jüngeren weise Ratschläge zu geben, gebe auch ich Dir einen Rat und Wink, weil der 60. Geburtstag dafür genau der rechte Augenblick ist. In diesem Alter wird es Zeit, daß man ein wenig von seinem Männer- und Knabenstolz und Trotz aufgibt und mit dem Leben, das man bisher kommandiert hat, etwas sanfter und behutsamer umzugehen beginnt. Dazu gehört etwas Sorgfalt und Nachgiebigkeit den Schwächen und Krankheiten gegenüber; man sollte sie dann nicht mehr anknurren und gewaltsam zum Schweigen bringen, sondern ihnen etwas nachgeben und schöntun, sich pflegen und sowohl mit Arzt und Medizin, wie auch mit mehr Ausruhen, mehr Kuren und Zwischenpausen in der Arbeit ihnen die Ehre erweisen, die ihnen gebührt, denn sie sind Sendboten der größten Macht, die es auf Erden gibt.
(Aus einem Brief vom 24. 8. 1947 an Max Wassmer)
Max Wassmer zum 60. Geburtstag
W ir haben kein übles Leben geführt,
Wir haben es uns nicht leicht gemacht
Und allerlei Wind und Wetter verspürt,
Hinlänglich gezecht auch und gelacht
Und unsrem Hartschädel und Eigensinn
Manch kräftiges Opfer dargebracht,
Auch manche saftige Dummheit gemacht.
Das Leben zerrte uns her und hin,
Hat uns Freuden und Sorgen reichlich gegeben,
Und ich, der ich zehn Jahr älter bin,
Werde seiner nun müd und satt.
Doch war es ein volles und reiches Leben,
Reich an Liebe, an Arbeit, an Freunden, an Festen
Bei Wein und Musik mit lachenden Gästen,
Und wenn uns auch manches geplagt und verdrossen,
Wir haben’s doch hundertfach genossen,
Uns an der Musik und am Wein erlabt
Und, alles in allem, viel Spaß gehabt.
Daß dann zuletzt in den alten Tagen
Uns alles nicht mehr so schmeckt und gefällt
Und Sinne und Glieder allmählich versagen,
Ist Menschenlos. Man muß es ertragen
Und lebt immer mehr in der Bilderwelt
Des Einstmals,
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