Mit dir an meiner Seite
nicht das erste Mal - darin liegt das Problem. Letztes Jahr hat sie zugegeben, dass sie das Armband gestohlen hat, aber dieses Mal hat sie eine andere Geschichte auf Lager. Sie sagt, sie hat verschiedene Sachen im Drugstore gekauft und konnte nicht alles in der Hand halten, deshalb hat sie den Lippenstift eingesteckt. Und vergessen. Für alles Übrige hat sie bezahlt, und wenn man sich das Video der Überwachungskamera anschaut, sieht es auch so aus, als würde das stimmen, aber ...«
»Aber du bist dir nicht sicher?«
Als Kim nicht antwortete, fuhr Steve fort: »Glaub mir - ihr Foto erscheint garantiert nie auf dem Plakat für die meistgesuchte Verbrecherin Amerikas. Sie hat einen Fehler gemacht, mehr nicht. Im Grunde ihres Herzens ist sie ein sehr liebes Mädchen.«
»Das heißt aber noch lange nicht, dass sie jetzt die Wahrheit sagt.«
»Aber es heißt auch nicht, dass sie lügt.«
»Soll das bedeuten, du glaubst ihr?« In Kims Stimme lag eine Mischung aus Hoffnung und Skepsis.
Steve überlegte kurz. Seit Kim ihm von dem Vorfall erzählt hatte, war er immer wieder zu demselben Schluss gekommen: »Ja, ich glaube ihr.«
»Warum?«
»Weil sie in Ordnung ist.«
»Woher willst du das wissen?« Jetzt klang Kim fast missmutig. »Als du das letzte Mal länger mit ihr zusammen warst, ging sie gerade mal in die neunte Klasse.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schaute aus dem Fenster. Verbittert fügte sie hinzu: »Du hättest zurückkommen sollen. Du hättest wieder in New York unterrichten können. Es gab überhaupt keinen Grund, kreuz und quer durch die Staaten zu fahren und dann hierherzuziehen ... Du hättest auch weiterhin am Leben der Kinder teilnehmen können.«
Kims Worte taten ihm weh. Er wusste ja, dass sie recht hatte. Aber so einfach war das alles nicht. Aus Gründen, die sie beide kannten - und die sie beide nicht aussprechen wollten.
Nach ein paar Sekunden angespannter Stille räusperte sich Steve. »Ich wollte nur sagen, dass Ronnie durchaus zwischen Richtig und Falsch unterscheiden kann. Klar, sie will ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit demonstrieren, aber ich glaube fest daran, dass sie immer noch derselbe Mensch ist wie früher. In den entscheidenden Punkten hat sie sich nicht verändert.«
Ehe Kim etwas entgegnen konnte, kam Jonah mit geröteten Wangen ins Haus gestürzt.
»Dad! Ich habe eine ganz tolle Werkstatt entdeckt. Komm mit - ich muss sie dir unbedingt zeigen!«
Kim zog eine Augenbraue hoch.
»Die Werkstatt ist im Schuppen hinter dem Haus«, erklärte Steve. »Möchtest du sie sehen?« »Sie ist supercool, Mom!«
Kim schaute von Steve zu Jonah und wieder zurück. »Nein, nein, ist schon okay - das ist was für Vater und Sohn. Und außerdem muss ich allmählich los.«
»Jetzt schon?«, fragte Jonah.
Steve wusste, wie schwer Kim der Abschied fiel, deshalb antwortete er für sie: »Deine Mom hat eine anstrengende Fahrt vor sich. Und außerdem will ich heute Abend mit euch auf den Jahrmarkt gehen. Hast du Lust?«
Man konnte sehen, dass Jonah enttäuscht die Schultern hängen ließ. Aber dann sagte er:
»Ja, klar.«
Nachdem sich Jonah von seiner Mutter verabschiedet hatte - Ronnie war nirgends zu sehen, und Kim meinte, dass sie sicher nicht so bald zurückkommen würde -, gingen Steve und sein Sohn gemeinsam zu der Werkstatt.
Der schiefe Schuppen mit dem Blechdach stand auf Steves Grundstück.
In den vergangenen drei Monaten hatte Steve seine Nachmittage meistens dort verbracht, umgeben von allem möglichen Krempel. Am wichtigsten waren die kleinen Scheiben aus buntem Glas, die der Junge jetzt kurz inspizierte: In der Mitte der Werkstatt stand ein großer Arbeitstisch mit den ersten Anfängen eines Buntglasfensters. Aber Jonah interessierte sich dann doch mehr für die merkwürdigen ausgestopften Tiere in den Regalen. Sie waren die Spezialität des vorherigen Besitzers gewesen, lauter eigenartige Geschöpfe - zum Beispiel gab es eine Kreatur, die halb Flussbarsch, halb Eichhörnchen war. Eine andere bestand aus dem Kopf einer Beutelratte und dem Körper eines Huhns.
»Was ist das denn?«, fragte Jonah verdutzt.
»Das ist angeblich Kunst.«
»Ich dachte immer, Kunst sind Gemälde und solche Sachen.«
»Stimmt. Aber Kunst ist ein ziemlich weiter Begriff.«
Jonah rümpfte die Nase, während er ein Schlangen-Kaninchen studierte. »Ich finde, wie Kunst sieht das nicht aus.«
Steve grinste. Jonah verlor das Interesse an den Fabelwesen und deutete auf das
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