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Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
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seit Einführung des Internets, und auch unschuldig Verfolgte nicht. Wer einmal über den Friedhof in Tombstone gewandert ist – jener Stadt, in der im Wilden Westen Wyatt Earp als Sheriff für Ruhe sorgte –, wird einige groteske Inschriften auf den Grabsteinen und Grabbrettern lesen. Über dem Grab von George Johnson etwa steht: »Hanged by mistake. He was right we was wrong but we strung him up and now he’s gone.« Also in etwa: »Zu Unrecht gehängt, wir lagen daneben – jetzt ist er tot, so ist das Leben.«
    Denunziation und Lynchjustiz sind keine neuen Phänomene – das Internet ist nur der Katalysator. Jeder darf seine Meinung in die Welt hinausposaunen in der Hoffnung, dass es jemand liest. Das Internet ist eine Befreiungstechnologie, es stärkt die Stimme des Einzelnen, dem es möglich ist, mit einem Blogeintrag einen sogenannten »Shitstorm« auszulösen, der Manager von Unternehmen tagelang beschäftigt. Es ist für Menschen in Krisengebieten und Diktaturen eine Möglichkeit, der Welt die Wahrheit mitzuteilen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Es ist auch die Möglichkeit für Menschen wie Christian Ulmen, durch einen inszenierten »Shitstorm« Werbung für eine uninteressante Fernsehsendung zu machen.
    Aber ist die Stimme des Einzelnen wirklich relevant? Seit einiger Zeit kursiert eine Parole, die verdeutlicht, wie sich das Sendungsbewusstsein der Menschen verändert hat. Sie lautet übersetzt: »Du bist nicht tiefgründig, du bist kein Intellektueller, du bist kein Künstler, du bist kein Kritiker, du bist kein Dichter. Du hast lediglich Zugang zum Internet.«

    Wie schlimm ist es wirklich? Verbreiten sich Nachrichten und Gerüchte wirklich so viel schneller als in der richtigen Welt? Hat Bettina Wulff recht, wenn sie sich medienwirksam über eine Hetzjagd beschwert, die ihrer Meinung nach durch schlimme Gerüchte über ihre Vergangenheit gestartet wurde?
    Ein Versuch soll ein wenig Licht ins Dunkel bringen.
    Ich bin wahrlich keine prominente Persönlichkeit. Wer bei Google meinen Namen eingibt, der findet bei den Autovervollständigungen »Du sollst nicht lügen«, »Akkordeon« und »Troisdorf« – und nur die erste Vervollständigung hat etwas mit mir zu tun. Wer bei Wikipedia nach mir sucht, der findet einen Politiker, der einst für die FDP im Bundestag gesessen hat.
    Ich ändere bei Facebook meinen Beziehungsstatus von »verheiratet mit Hanni Schmieder« in »ist in einer Beziehung, und es ist kompliziert«. Dazu bitte ich befreundete Blogger, etwas zu meiner Ehe zu verfassen, und sorge dafür, dass in Autorenprofilen der Hinweis gelöscht wird, dass ich verheiratet bin.
    Innerhalb der nächsten 24 Stunden bekommen meine Frau und ich insgesamt mehr als 30 Kurznachrichten von Freunden, die nachfragen, ob denn alles in Ordnung sei. Diese Reaktion haben wir erwartet, schließlich haben wir es selbst bei Facebook gepostet, unsere Freunde haben es gesehen und erkundigen sich.
    Zwei Tage später jedoch erkundigen sich Menschen, mit denen ich nicht bei Facebook befreundet bin, was denn da los sei. Auf die Frage, woher sie denn wüssten, dass sich in unserer Ehe etwas verändert hat, antworten fast alle: Haben wir irgendwo im Internet gelesen. Einen Tag später bekomme ich sogar eine SMS einer ehemaligen Freundin, mit der ich ebenfalls nicht bei Facebook befreundet bin: »Warum steht denn bei deinem Beziehungsstatus was von kompliziert? Sollen wir mal einen Kaffee trinken gehen?« Als wir uns damals getrennt haben, da hat es Wochen gedauert, bis auch ja alle informiert waren. Nun weiß sie nach wenigen Stunden Bescheid.
    Nachrichten und Gerüchte verbreiten sich tatsächlich mit rasender Geschwindigkeit im Internet. Wer bei Google meinen Namen eingab, der fand in jenen Tagen zwar immer noch die Vervollständigungen »Du sollst nicht lügen«, »Akkordeon« und »Troisdorf«, doch auf der zweiten Seite war auch ein Profil von mir zu sehen, in dem vermerkt war: »getrennt lebend«. Auf Seite vier war gar zu lesen: »geschieden«.
    Das ging schnell.
    Wie schnell muss das bei Menschen gehen, die wirklich berühmt sind?
    Und wie schnell muss das gehen, wenn der Cyber-Mob etwas zum Cyber-Mobben gefunden hat?
    Es ist eine neue Zeit mit neuen Regeln.
    Und es ist keineswegs eine Zeit, in der die Stimme jedes Einzelnen gestärkt wird. Es ist die Zeit, in der die Stimme derer gestärkt wird, die einen Internetzugang haben, die sich mit den Gepflogenheiten im Netz auskennen und die die Zeit haben, sich

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