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Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
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Urgroßvater verfasst worden. Fernmeldegeheimnis? Briefgeheimnis? Ich glaube, dass viele junge Menschen gar nicht wissen, dass man einmal eine Nachricht verschickt hat, indem man ein sogar handschriftlich beschriebenes Blatt Papier in einen Umschlag gesteckt und zur Post gebracht hat. Dass dieser Brief dann in einen Sack gesteckt wurde und mit Lastwagen, Eisenbahn oder Flugzeug in eine andere Stadt gebracht wurde. Dass der Brief dann irgendwann in der Tasche eines Postboten landete und später im Briefkasten des Empfängers. Dass es Telefone gab, bei denen man an einer Scheibe drehen musste. Und dass diese ulkigen gelben Kästen mehr waren als Dekoration in einer Hipsterwohnung oder Metapher dafür, worin Lionel Messi einen Verteidiger ausspielen kann.
    Ich überprüfe 24 Stunden nach der Installation die Wirksamkeit des DNT -Buttons. Er hat insgesamt 436 Fremdfirmen verboten, meine Daten während meiner Surfaktivitäten einzusammeln. Immer dabei: Facebook.
    Als ich einem befreundeten PR -Manager davon erzähle, lacht er nur: »Mich verwundert daran nur, dass alle drei Werbeversuche auf deine Bedürfnisse eingehen. Das ist unüblich!« Auf meine Verwunderung sagt er: »In diesem Fall ist dir doch sofort klar, dass du dich verfolgt und ausspioniert fühlst. Das muss ein Fehler sein. Gewöhnlich wird die Werbung so gemischt, dass sich der Nutzer sicher fühlt. In deinem Fall steht die Reklame für Kreuzfahrten einfach zwischen Werbung für Waschmittel und Autoreifen. Du fühlst dich nicht ertappt – und klickst auf den Link, der dich zu den Angeboten für die Luxusreisen führt.« Nur eine Werbung müsse passen.
    Ich bin ein gläserner Mensch.
    Nicht nur online – auch offline. Im Februar 2013 kam heraus, dass die Videoüberwachung in Bayern drastisch ausgeweitet wurde. Ende 2012 waren in Bayern mehr als 17000 Kameras installiert. Es gibt heutzutage nicht mehr nur kaum einen öffentlichen Ort ohne Schilder, es gibt auch kaum einen Ort, der nicht kontrolliert wird. Wir werden überwacht – von Unternehmen und vom Staat.
    Ich will aber nicht, dass mich 436 Firmen innerhalb von 24 Stunden nackt sehen und durchleuchten – offenbar alle nur zu dem einen Zweck, die Informationen nicht für meine, sondern für ihre Zwecke zu nutzen.
    Seit 2001 gibt es in Deutschland das Bundesdatenschutzgesetz, dazu Gesetze der einzelnen Bundesländer sowie das Telekommunikationsgesetz und das Telemediengesetz. Warum bin ich dann immer noch nackt? Der PR -Berater klärt mich auf: »Ganz einfach ausgedrückt: Das deutsche Recht ist in den USA nicht wirksam. Dazu beschäftigen die großen Firmen wie Facebook ganze Armeen von Anwälten, die nichts anderes tun, als zu prüfen, wie sich aufgrund der bestehenden Gesetzeslage in den einzelnen Ländern dennoch ganz legal die meisten Daten sammeln lassen.«
    Dann sagt er den Satz, den ich nun schon so oft gehört habe, wenn es um soziale Netzwerke im Internet geht: »Es zwingt dich ja niemand, Mitglied bei Facebook zu sein oder dort irgendetwas zu posten.« Ich könnte es also machen wie die Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner, die dem Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in einem Brief angedroht hat, ihre Mitgliedschaft bei Facebook zu kündigen. Es ist nicht überliefert, ob Zuckerberg bei dieser Drohung Angst bekommen hat – und wie er reagieren würde, wenn ein so wichtiges Mitglied wie ich plötzlich austräte. Ich glaube nicht, dass er vor lauter Bestürzung die Grundsätze von Facebook ändern würde.
    Diese digitale Welt scheint grenzenlos zu sein, doch die Gesetzgebung ist sehr wohl begrenzt – was ein Problem darstellt, weil es in der digitalen Welt quasi ausschließlich Nachbarn gibt. In der New York Times wurde diese Situation sehr schön beschrieben: Vor 30 Jahren wäre es einem ausländischen Spion nur schwer möglich gewesen, an Daten US -amerikanischer Geheimdienste zu gelangen. Er hätte zunächst einmal in die USA reisen müssen, dann herausfinden müssen, in welchem Aktenschrank in welchem Gebäude in welcher Stadt sich die Daten befinden, nach denen er sucht. Er hätte hinfahren müssen, sich unbemerkt an den Sicherheitssystemen vorbeischleichen müssen – und die Informationen übermitteln müssen. Durch das Internet könne jeder, sehr vereinfacht ausgedrückt, zumindest an die Tür des Geheimdienstes klopfen – und mit viel Geschick auch eintreten. Nur könne die amerikanische Regierung den ungebetenen Gast nicht einfach verscheuchen, sie habe auch kaum eine

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