Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
männlichen Gehirn wie der Wunsch, ein Supermodel für sich zu begeistern. Wir reden uns ein, dass es sich bei Supermodels nur um ganz einfache Mädchen handelt, die von der Natur zufällig mit einer perfekten Körperstruktur, wunderbaren Haaren und einer makellosen Haut ausgestattet wurden. Dass es deshalb möglich ist, dass sich so eine Frau in uns verlieben könnte.
Doch das geht nicht. Diese Frauen sind optisch nahe an der Perfektion. Vielleicht kann sie darüber hinwegsehen, aber du kannst es nicht. Wenn du nicht in irgendeinem Bereich des Lebens ebenfalls nahezu perfekt bist – ob nun optisch, geistig, beim Geldverdienen, sportlich oder worin auch immer – und ihr dadurch auf Augenhöhe begegnen kannst, dann ist es beinahe unmöglich, eine Verbindung aufzubauen. Verbindung ist alles. Du wirst dich ihr immer unterlegen fühlen, weil sie eben kein einfaches Mädchen ist, wie du dir eingeredet hast. Dann suchst du nach Fehlern in anderen Bereichen, um dich gleichwertig zu fühlen. Sie denkt jedoch, dass du sie damit runterziehen willst, und wird kontern – und schon seid ihr in einer Fehlerspirale, aus der ihr nie wieder herauskommt. Die Verbindung ist weg.
Ähnlich ist es mit Prostituierten, nur umgekehrt: Du wirst niemals dieses Bild aus dem Gehirn bekommen, das dir durch Filme, Bücher und überhaupt die Gesellschaft eingehämmert worden ist. Sie kann darüber hinwegsehen, weil sie weiß, wie es wirklich ist – aber du hast keine Ahnung und wirst deshalb immer daran denken, dass sie eine Prostituierte ist.
Als ich damit begonnen habe, mich auf das Treffen mit einer Prostituierten vorzubereiten, hatte ich so ein Bild im Kopf: eine junge Frau, die ihre natürliche Schönheit durch übertriebenes Make-up zerstört, ihren perfekten Körperbau mit Minirock und Lederstiefeln zur Schau stellt wie ein Metzger ein saftiges Stück Fleisch und grundsätzlich immer einen Kaugummi im Mund hat.
Hatten Sie die gleiche Vorstellung? Nein? Ja, klar!
(Un-)Wichtiges Wissen
Eine Prostituierte kann seit 2002
die Entlohnung von ihrem Freier
vor Gericht einklagen.
Ich dachte, dass es recht schwer werden könnte, sich mit einer Prostituierten zu treffen. Natürlich könnte ich in ein Laufhaus gehen und die Frau dann bitten, sich einfach mit mir zu unterhalten. Aber gäbe es ein noch größeres Klischee?
Doch es ist einfacher, als ich gedacht hatte, weil erstaunlich viele Menschen in meinem Bekanntenkreis jemanden kennen, der in diesem Gewerbe tätig ist.
Mir sitzt eine junge Frau in Jeans und T-Shirt gegenüber, die mit ihren wilden schwarzen Haaren und dem Verzicht auf Make-up so aussieht, als würde sie danach in der ersten Reihe eines Muse-Konzerts stehen.
Es ist nicht so einfach, ein in Stein gemeißeltes Bild aus seinem Kopf zu bekommen.
Ich frage: »Ist das deine Arbeitskleidung?«
»Was hast du erwartet? Minirock und Lederstiefel?«
Ich sage nichts, weshalb sie merkt, dass ich genau daran gedacht habe.
»Ich besitze keine Perücke und keinen Minirock. Einen kurzen Rock, ja. Ich habe auch Lederstiefel, aber welche Frau hat keine Lederstiefel?«
Jemand hämmert an meinem Bild im Kopf herum. Mit dem Presslufthammer.
Mir sitzt jemand gegenüber, der gehofft hat, auf einen Menschen ohne Vorurteile zu treffen – und nun erkennt, dass sie sich getäuscht hat. Ich erkläre ihr meine Theorie von Klischee und Männerfantasie, was mich zumindest zurück ins Spiel bringt, um mich mit ihr unterhalten zu können.
Wir sprechen ein wenig über ihre Laufbahn: Realschulabschluss, Ausbildung zur Kosmetikerin, Auftritte bei Erotikmessen und Engagements in Bars, die sich auf exotischen Tanz spezialisiert haben. Danach habe sie sich bei einem Escortservice beworben, und nun arbeite sie seit drei Jahren in dem Beruf. Ihre Jobbeschreibung sieht nicht vor, dass sie an einer Straßenecke oder in einem Fenster darauf wartet, dass ein Mann vorbeikommt und dafür bezahlt, von ihr in einer dunklen Gasse oder einem engen Zimmer befriedigt zu werden.
Sie wird von ihren Kunden dafür bezahlt, dass sie einen Abend mit ihnen verbringt, wobei es meist vier Etappen zu absolvieren gilt: Restaurant, Ort für kulturelle Veranstaltungen, Bar, Hotelzimmer. »Nur bei der Hälfte der Verabredungen kommt es tatsächlich zu Sex«, sagt sie. Die meisten ihrer Kunden würden sich einfach nur unterhalten wollen: »Entweder können sie das bei ihren Ehefrauen nicht – oder sie sind Single und haben nicht den Mut, Frauen anzusprechen. Auf diese Weise
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