Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
macht eigentlich die Gesetze? Und wem nutzen die am Ende?«
Viele Gesetze dienen nicht dem Wohl des Volkes, sondern dem Wohl des Politikers oder dem Wohl eines Wirtschaftszweigs. Viele Gesetze sorgen für eine Verschlechterung der Situation, weil den Verantwortlichen ein kurzfristiger Effekt wichtiger erscheint als eine langfristige Besserung.
Andere Gesetze gibt es, weil wir so sind, wie wir sind. Viele von uns beugen die vorhandenen Gesetze, bis sie brechen und es vernünftig erscheint, neue einzuführen. Viele von uns erwarten von den anderen, dass sie sich an Gesetze halten, umgehen sie aber selbst, wann immer es geht. Wir beschweren uns über die Norm zur Gurkenkrümmung – aber wehe, wir finden eine falsch gekrümmte Gurke im Regal des Supermarkts. Dann wird geklagt.
Und weil sich nicht wenige Bürger auf den Grundsatz Sine lege nulla poena berufen, dass es also ohne Gesetz auch keine Strafe geben kann, ist der Gesetzgeber gezwungen, neue Verordnungen und Gesetze einzuführen.
Ich bin weder Jurist noch Philosoph, noch ein besonders lieber Mensch. Ich bin ein ganz normaler Bürger, der versucht hat, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben. Ich kann nicht sagen, dass ich stolz darauf bin – aber ich habe versucht, die Konsequenzen dafür zu tragen.
Ganz ehrlich: Wer von uns würde freiwillig alle zwei Jahre eine Führerscheinprüfung absolvieren – wenn er fürchten müsste durchzufallen und seine Fahrerlaubnis zu verlieren? Und wie viele von uns würden sich tatsächlich eine Fahrkarte kaufen, wenn sie wüssten, nicht kontrolliert zu werden? Wer würde die Perle in der Auster dem Wirt zurückgeben?
Wir brauchen offensichtlich die meisten der Gesetze, die es gibt. Wir betrügen uns gegenseitig – und es steht zu befürchten, dass wir uns die Köpfe einschlagen würden, wäre nicht jeder Aspekt des Lebens geregelt.
Noch einmal: Warum gibt es so viele Gesetze in Deutschland?
Die Antwort darauf: wegen uns.
Deutschland ist ein riesiges Irrenhaus. Wegen uns.
Doch es gibt Hoffnung – weil es eine der herausragenden Eigenschaften des Menschen ist, dass er sich ändern kann. Und das Interessante dabei ist, dass sich der Mensch tatsächlich ändert, wenn man ihm die Möglichkeit dazu gibt.
Es hat sich gezeigt, dass viele Probleme langfristig nicht durch eine schärfere Gesetzgebung, härtere Kontrollen und drastischere Strafen in den Griff zu bekommen sind, sondern durch Liberalisierung und dadurch, den einzelnen Bürgern mehr Verantwortung zu geben.
Uli Wickert wurde dereinst durch eine wagemutige Reportage berühmt: Er wollte als Korrespondent die verkehrsumtoste Place de la Concorde in Paris überqueren, ohne auf den Verkehr zu achten. Was für eine Schnapsidee! Wickert schlendert lässig über die Straße, er begeht diesen Regelverstoß mit einer derartigen Gelassenheit, dass er klappen muss. Seine These: Wenn man nicht auf die Autofahrer achtet, dann achten die auf einen. Sieht man sie dagegen an, dann denken sie, dass man schon zur Seite springen würde. Wickert geht also renitent über die Straße – und kommt ohne Kratzer an.
Wickert bewies damit: Die Menschen passen schon aufeinander auf – auch ohne Regeln und Verbote und Gesetze.
Ich habe in diesen zwölf Monaten Menschen kennengelernt, die aufeinander aufpassen – ob es nun durch ein Gesetz geregelt ist oder nicht. Die eingreifen, wenn sie erkennen, dass da Unrecht passiert. Die notfalls sogar bereit sind, ein Gesetz zu brechen und die Konsequenzen dafür zu tragen, um eine noch größere Ungerechtigkeit zu verhindern.
Wir haben auch die Möglichkeit, gegen Gesetze zu verstoßen – wir müssen jedoch die Konsequenzen tragen. Womöglich muss man bisweilen gegen ein Gesetz verstoßen, wenn einem das Gewissen sagt, es tun zu müssen. Manchmal ist es unsere moralische Pflicht, gegen Gesetze zu verstoßen – wie im Fall des Frankfurter Ermittlers Wolfgang Daschner, der einem Entführer Folter androhte, um einen entführten elfjährigen Jungen doch noch zu retten.
Daschner handelte gegen das Gesetz – aber moralisch tat er wohl das Richtige.
Es gibt sie, diese mutigen Menschen, die dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft funktioniert. Diese Menschen bekommen es nicht von einem Gesetz gesagt, sondern von ihrem Gewissen. Ich bewundere diesen Mut.
Unsere Zukunft braucht keine Angst. Unsere Zukunft braucht Mut.
Kapitel 37
Dieser Jemand bist du!
Im Jahr 1989 veröffentlichte die Rap-Gruppe The 2Live Crew ein Album mit dem Namen As Nasty As They
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