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Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
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nutzen will, mich mit Gesetzesbrechern zu treffen: mit professionellen Pokerspielern, Drogendealern, Huren, Betrügern, Schwarzarbeitern. Weil ich selbst nicht in ausreichendem Umfang gewisse Gesetze breche, will ich von diesen Menschen erfahren, warum sie das tun. Ich will wissen, warum sie diesen Weg eingeschlagen haben, was sie von der deutschen Gesetzgebung halten und wie sie damit umgehen.
    Warum machen diese Menschen das?
    Ich treffe mich zunächst mit einem professionellen Pokerspieler, der seit fünf Jahren von der Zockerei lebt. Kennen Sie die Pokerspieler aus Filmen? Steve McQueen in Cincinnati Kid oder Mel Gibson in Maverick oder Paul Newman in The Sting ? Kein Pokerspieler ist wie diese Figuren.
    Pokerspieler tragen bei öffentlichen Auftritten manchmal einen Anzug, eine Krawatte und ein Einstecktuch – aber man sieht sogleich, dass sie sich in diesen Klamotten so unwohl fühlen wie Angela Merkel im Trainingsanzug. »Ein Mann im Anzug sieht immer ein bisschen aus wie James Bond«, sagt meine Mutter gerne. Das ist gelogen. Viele Männer im Anzug sehen ein bisschen aus wie Heinz Erhardt.
    Heutzutage wird ohnehin nicht mehr in feinen Casinos oder in den Hinterzimmern von Saloons um das große Geld gespielt, sondern im Internet. Die Spieler tragen keine Anzüge und rauchen keine dicken Zigarren, an der Bar wartet auch keine hübsche Frau mit Cocktail. Sie tragen Jogginganzug und Brille, in der Küche wartet die Mutter mit dem Abendessen.
    Wissen gegen den Knast
    Das Veranstalten und das Vermit-
teln öffentlicher Glücksspiele im
Internet sind verboten. (Glücks-
spielstaatsvertrag, § 4, Sektion 4)
Der Glücksspieländerungsstaats
vertrag wurde nach einer Interven-
tion der EU noch nicht ratifiziert.
    In Deutschland pokern etwa 600000 Menschen regelmäßig im Internet. Alle illegal. Oder zumindest in einem Graubereich des Rechts.
    Sie geben sich Namen wie »Zocker68«, »All-In-King« oder ganz bescheiden »DerBeste79«. Sie sind Kunden der lukrativsten Banken weltweit. Freilich veröffentlichen die Online-Casinos keine Zahlen, meine Recherchen werden abgeblockt mit dem Hinweis, dass keine genauen Daten vorliegen würden. Auf den Hinweis, dass man doch nur den Kontostand der einzelnen Mitglieder zusammenrechnen müsse, kam die Antwort: »Das interessiert uns aber nicht – also sollte es Sie auch nicht interessieren. Ich kann Ihnen nur versichern, dass unser Unternehmen auf wirtschaftlich gesunden Beinen steht.«
    Wissenschaftler haben durch repräsentative Umfragen die durchschnittlichen Einzahlungen und Auszahlungen deutscher Pokerspieler zu erfahren versucht. Die Ergebnisse sind recht unterschiedlich: Die einen sprechen von etwa 85 Euro pro Jahr, andere kommen auf bis zu 420 Euro pro Spieler. Wohlgemerkt: Diese Zahlen beschreiben den Betrag, den die Spieler netto einbezahlen – bei der 85-Euro-Umfrage zahlt der Spieler also etwa 130 Euro ein und lässt sich im Laufe des Jahres 45 Euro ausbezahlen. Er erhöht also das im Umlauf befindliche Geld um 85 Euro. Wer also der Umfrage mit der mittleren Schätzung vertraut, der kommt auf rund 50 Millionen Euro, die in Deutschland pro Jahr in die Casinos einbezahlt werden.
    Die Betreiber von Online-Casinos bekommen also von deutschen Pokerspielern pro Jahr einen zinslosen Kredit von 50 Millionen Euro. Noch mehr: Die Spieler bezahlen Kontoführungsgebühr, schließlich behalten die Casinos fünf Prozent der umgesetzten Spielsumme ein. Wer einzahlt und regelmäßig spielt, der bekommt fünf Prozent Zinsen abgezogen. Online-Casinos sind die lukrativsten Kreditinstitute der Welt. Sie müssen nicht zocken wie andere Banken, sondern profitieren von der Zockerei der anderen.
    Sie sind wie Sam Brannan, jener Mann, der während des Goldrauschs in Kalifornien zum ersten Millionär des Bundesstaats wurde – nicht etwa, weil er eine Goldmine entdeckte, sondern weil er den Glücksrittern die Utensilien zum Schürfen verkaufte.
    Ich treffe mich mit Thomas, den ich so nenne, weil er mir mehr erzählen darf, wenn ich nicht seinen richtigen Namen verwende. Er lebt in einer Wohnung, für deren Einrichtung man einen niedrigeren sechsstelligen Betrag ausgeben muss. In seinem Arbeitszimmer ist ein Computer aufgebaut, der an zwei der größten Bildschirme angeschlossen ist, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe. Als er mich hineinführt, trägt er einen Anzug und sieht tatsächlich eher aus wie James Bond als Heinz Erhardt.
    »Mein Tagesablauf ist klar definiert«, sagt er,

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