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Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
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recht beeindruckende Waffe sein.
    Wissen für Nichtjuristen
    Wett- und Spielschulden sind nicht
verbindlich, niemand kann ge-
zwungen werden, Geld zu bezah-
len. (§ 284 StGB, § 762 BGB)
    Öffentliches Glücksspiel ist in Deutschland strafbar, wenn keine behördliche Genehmigung wie etwa bei Spielbanken vorliegt. Die Pokerrunde im Wohnzimmer eines lieben Freundes ist öffentlich, weil die Einladung über Facebook an einen riesigen Kreis erfolgte und darin sogar aufgefordert wurde, neue Spieler mitzubringen. Von einer geschlossenen Gesellschaft kann keine Rede sein. Gespielt wird mit Chips, abgerechnet und bezahlt wird am Ende des Abends. Die Einsätze werden derweil in einem Koffer aufbewahrt. Was die anderen von mir gewonnen haben, ist die Beute aus einer Straftat.
    Das teile ich den anderen mit.
    »Jetzt spinnt er komplett«, sagt einer.
    »Ich stelle mir sogar die Frage, ob es überhaupt unehrenhaft wäre, wenn ich meine Spielschulden nicht bezahlen würde – schließlich ist das eine illegale Veranstaltung. Und da halte ich es doch für ehrenhaft, wenn ich den Abend in vernünftige Bahnen lenke, indem ich alle auffordere, ihren vermeintlichen Gewinn zurückzuzahlen. Damit würde ich die Runde legalisieren, indem wir sie als Training ohne Einsatz und Gewinn betrachten.«
    Ralf hilft mir – schließlich hat auch er einen ordentlichen Batzen Geld verloren: »Das ist die beste Idee, die der Schmieder jemals hatte!«
    Ralf und ich klatschen uns ab – doch Kai springt auf und läuft zum Pokerkoffer, in dem das Geld aufbewahrt wird. Er nimmt den Koffer in einen Klammergriff, den ich zuletzt von Hulk Hogan bei Wrestlemania VI gesehen habe. Er sieht aus wie ein Kleinkind, dem mitgeteilt wurde, dass es sein Lieblingsspielzeugauto dem Nachbarskind schenken muss. Er ist offensichtlich wild entschlossen, das Geld notfalls mit seinem Leben zu verteidigen; er sieht aus wie eine New Yorkerin beim Schlussverkauf von Winterstiefeln.
    Uli springt ihm zur Seite, wie eine New Yorkerin ihrer Freundin beispringt, die gerade um ein Paar Manolo Blahniks kämpft.
    »Du hast verloren, du bezahlst«, sagt Uli und wirkt dabei wie der Türsteher einer Dorfdisco, der einem Jugendlichen mitteilt, dass er als Eminem-Lookalike mit Baseballmütze und Turnschuhen keine Chance auf Einlass habe.
    »Ich werde mir nun den Koffer nehmen und dann das Geld herausholen«, sage ich. Beim Üben vor dem Spiegel ein paar Stunden vorher hatte ich den Eindruck, dass dieser Satz cool und bestimmt ankommen müsse – wie beim Protagonisten eines Quentin-Tarantino-Films oder bei Robert de Niro in Taxi Driver . In Wirklichkeit wirke ich recht lächerlich, so wie jeder lächerlich wirkt, der im wirklichen Leben versucht, was nur im Film oder in Büchern funktioniert.
    »Das Einzige, was du Vollidiot bekommst, ist eine Tracht Prügel, wenn du hierherkommst, du Penner!«
    »Jetzt hast du mich beleidigt und auch bedroht. Und solltest du mich tatsächlich verprügeln, dann wäre das vorsätzliche Körperverletzung.«
    Wissen gegen den Knast
    Für Kampfsportler gelten die glei-
chen Regeln wie für jeden anderen
Menschen – das gewählte Vertei-
digungsmittel muss »erforderlich
und geboten« sein. Ohne Notwehr-
situation darf niemand körperliche
Gewalt anwenden, ob Kampfsport-
ler oder nicht. (§§ 223, 224 StGB)
    Kai ist Kampfsportler. Viele Menschen sind der Meinung, dass jemand wie er seine möglichen Gegner auf ihre Fähigkeiten hinweisen müsste. Das stimmt jedoch nicht.
    Uli und Kai sehen sich verwundert an.
    »Ich kann auch vor Gericht gehen und dafür sorgen, dass ich nicht bezahlen muss, ich habe das Gesetz eindeutig auf meiner Seite.«
    Ich gehe auf Kai zu, nehme mir ruhig den Koffer, öffne ihn und nehme das Geld heraus. Ich nehme mir meinen Teil und gebe Ralf das Geld, das er an diesem Abend verloren hat.
    »Nein, will ich nicht«, sagt Ralf, »es wäre zwar eine lustige Idee, aber wenn ich verliere, dann bezahle ich auch. Dieses Mal bist du allein, Schmieder.«
    Ich nehme mein Geld und gehe nach Hause. Während der Heimfahrt bekomme ich eine SMS . Uli teilt mir mit: »Dir ist schon klar, dass du auf Lebenszeit von den Pokerrunden ausgeschlossen bist. Außerdem betrachte ich unsere Freundschaft als beendet. So etwas habe ich von einem Freund nicht erwartet. Viel Spaß mit deinem Gesetz-Projekt!«
    Da hält man sich an das Gesetz – und schon hat man einen Freund weniger.
    Ich vergesse mein schlechtes Gewissen, weil ich den Abend als Startschuss dafür

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