Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
Produkte illegal sind, macht die Sache gefährlicher, aber auch lukrativer. Nur die Harten überleben.«
Diese Antwort hat er auswendig gelernt und sie offensichtlich schon vielen Menschen erzählt, weil er die Sätze absolut fehlerfrei vortragen kann.
»Schon mal erlebt, dass einer deiner Kunden ins Krankenhaus musste oder gestorben ist?«
Er sieht mich an, dann atmet er kurz und wuchtig durch die Nase aus, sodass es seinen Oberkörper anhebt, dann schüttelt er den Kopf.
»Na?«
Er sieht mich wütend an: »Keine Ahnung! Nein!«
»Schon mal ans Aufhören gedacht?«
»Und das hier aufgeben? Niemals! Mir geht es gut, ich habe Spaß, und mein Leben ist der Wahnsinn.«
In diesem wahnsinnigen Leben sitzt er am Samstagabend daheim, beantwortet Anrufe mit einem Wort und trinkt gerade sein fünftes Bier, während ich mich an meinem zweiten herumplage.
»Los geht’s. Arbeiten.«
Er zieht sich kurz um, prüft im Spiegel seine Frisur, reibt sich Creme in sein Gesicht und sprüht Parfüm auf sein T-Shirt (Aufschrift: Ed Hardy), das ich zuletzt als Teenager gerochen habe. Dann zählt er Bars auf, in die er gehen möchte. Normalerweise trifft er sich mit den Kunden auf der Straße, hin und wieder auch in Bars und Clubs. »Nie daheim«, sagt er. Er hat einen Laufweg, den er in den nächsten Stunden absolvieren will. »Gott sei Dank ist heute kein Konzert – zumindest keines, auf das ich gehen muss.«
»Ist das nicht anstrengend?«
Er sieht mich an.
»Sollte ein Samstagabend nicht anstrengend sein? Mann, Alter, du bist echt zu alt!«
Ich bin zehn Jahre jünger als er.
»Ich hänge jetzt mit Freunden ab und verdiene Geld dabei.«
Es geht diesem Menschen nicht ums Geld, dieser Beruf – oder was er als Beruf bezeichnet – ist nicht so sehr der Weg, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Er ist vielmehr seine Eintrittskarte in eine Welt, für die Menschen in seinem Alter eigentlich kein Ticket bekommen oder es sich teuer erkaufen müssen. Er ist kein Geschäftsmann, er ist jemand, der nicht weiß, was er sonst mit seinem Leben anfangen soll, als durch die Clubs zu ziehen und zu feiern.
»Kommst du?«
»Ja, aber ich will nichts mit dir zu tun haben. Ich rufe ein paar Freunde an, damit sie auch kommen, dann wird mir nicht langweilig.«
Ich will nicht der Sidekick eines Menschen sein, der Drogen verkauft. Ich glaube, dass ich entweder zu nervös wäre – oder dass ich irgendwann die Polizei rufen würde, weil ich es nicht mehr aushalte.
»Schon okay. Wenn du willst, können wir uns so gegen drei Uhr vor dem Eingang treffen, dann erzähle ich dir, wie der Abend so war. Und natürlich bringe ich dich und deine Freunde in den Club. Das kann ich für dich drehen.«
Ich muss ihm wieder High Five geben.
Ich dachte, High Five unter erwachsenen Männern, die nicht professionelle Sportler sind, ist Mitte der 90er verboten worden.
Wir gehen in einen Club – und tatsächlich muss Toby eingreifen, damit der Türsteher meine beiden Freunde und mich hineinlässt. »Ohne Frauen ist das für Nichtstammgäste immer schwer«, sagt er. Man merkt, dass er recht stolz darauf ist, auch ohne Frau am Arm hineinzudürfen.
Drinnen haben etwa 70 Prozent der Menschen mindestens ein Kleidungsstück von Ed Hardy an, und ich bin mir sicher, dass die anderen 30 Prozent entweder einen Sylt-Aufkleber auf dem Auto haben oder gerne zum Ballermann fahren. Ein Bier kostet so viel, wie man im Getränkemarkt für eine komplette Kiste ausgeben würde, ein Cocktail hat den Gegenwert eines Abendessens.
Toby verteilt High Fives – offenbar feiert das Abklatschen ein grandioses Comeback wie auch der Künstlerschal, den die Männer trotz einer Temperatur von mindestens 30 Grad tragen. Die Männer klatschen sich dauernd ab. Einer erzählt was, dann lachen die anderen, und dann gibt es High Five. Schließlich wird das teure Getränk auf ex geleert und das nächste bestellt. Für die Frauen dagegen ist der gesamte Club eine Mischung aus Laufsteg und Spielfeld. Der Wettkampf scheint zu sein, dass die Frau gewinnt, die am meisten Cocktails spendiert bekommt. Es ist ein harter Wettbewerb, denn ich habe in meinem Leben noch nie derart viele hübsche Frauen gesehen, die ihre Schönheit derart durch Make-up und Silikon zerstören.
Es ist die Sorte Club, in der ein Mann zu einer Frau sagen kann, dass er gerne Arsch und Titten sehen würde – und ihm die Frau tatsächlich Arsch und Titten zeigt.
Toby fühlt sich wohl, ihm gehört die Tanzfläche. Er beherrscht
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