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Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)

Titel: Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schmieder
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unter den Begriff Prominenz fallen. Ich kenne keinen einzigen Namen.
    Er erzählt mir von der Freiheit, die er durch seinen Job hat, und von dem vielen Geld, das er verdient. Es ist ein sechsstelliger Betrag pro Jahr. Um ehrlich zu sein, höre ich ihm nicht wirklich zu – weil das bedeuten würde, dass ich ihn ernst nähme. Aber das kann ich nicht. Ich will keinen Menschen ernst nehmen, der Drogen verkauft. Und ich kann keinen Menschen ernst nehmen, der 40 Jahre alt ist und dessen Wohnung mit Ed-Hardy-Accessoires gepflastert ist.
    Lieber Leser, ein kleiner Hinweis: Die Götter haben uns eindeutige Hinweise geschenkt, welche Menschen wir keinesfalls ernst nehmen dürfen: die Aufschrift »Ed Hardy« auf jeder Form von Kleidung. Der Autoaufkleber mit der Silhouette von Sylt. Das Reiseziel »Ballermann«, wenn man älter als 23 Jahre ist.
    Es wird schnell klar: Toby macht das nicht, weil er es muss oder weil er da hineingerutscht ist oder weil er keine andere Möglichkeit hat, im Leben zurechtzukommen. Er macht das, weil er es will und weil er es offensichtlich cool findet. Wenn ich mir vorstelle, dass mein Sohn in 15 Jahren mal von so einem Menschen angesprochen wird, dann fällt es mir schwer, diesem Typen nicht schon heute eine aufs Maul zu hauen. Rein prophylaktisch.
    Toby hat keine Lust, darüber zu sprechen, von wem er die Drogen bekommt, er zeigt mir nur, wo er sie aufbewahrt. Er hat unter seinem Bett einen Schubkasten, darin sind in verschiedenen Kammern verschiedene Sachen. Es sieht ein wenig aus wie im Medizinschränkchen meiner Eltern; er beschreibt den Inhalt so, wie meine Eltern den Inhalt ihres Medizinschränkchens beschreiben würden. Kokain gehört offensichtlich immer noch zu den Klassikern, obwohl es »auf der Straße angekommen ist«, wie er behauptet. Auf der Straße angekommen, das bedeutet, dass sich anscheinend nicht mehr nur die Reichen und Berühmten – oder wen Toby für berühmt hält – etwas leisten können, sondern dass offensichtlich sehr viele Menschen etwas davon wollen und deshalb auch viele Konkurrenten etwas davon verkaufen würden. Viel besser für sein Geschäft seien die Drogen, die nicht so viele Konkurrenten anbieten, weshalb er sich mittlerweile darauf spezialisiert habe. Crystal Meth besorgt er sich – das rutscht ihm heraus – persönlich aus der Tschechischen Republik vom Vietnamesenmarkt. Heroin sei zu viel Stress, weshalb er so etwas nicht verkaufen würde.
    Ketamin sei eines seiner Lieblingsprodukte, es sei ein Schmerz- und Narkosemittel, bei dem der Konsument Friede und Ruhe verspüre. Vor allem Menschen nahe am Burnout würden geradezu darauf abfahren, was ihm gerade in München monströse Umsätze beschert. Auch Nachtschattengewächse würden gerade ein grandioses Comeback feiern. Hat er aber nicht im Sortiment. Er kennt zwar viele Drogen, verkauft selbst aber nur vier: Kokain, Ketamin, Marihuana, Crystal.
    »Nimmst du das Zeug selbst?«
    Er sieht mich erstaunt an, als ich das Gespräch in diese Richtung lenke.
    »Früher habe ich ein paar Sachen probiert, aber nie über einen längeren Zeitraum. Hab keinen Bock darauf.«
    Ich wette, das ist die Standardantwort eines jeden Dealers. Kurz darauf zuckt er wieder, als würde ihm einer auf die Schulter tippen.
    »Woher weißt du dann, dass die Sachen gut sind, die du verkaufst?«
    »Weiß ich nicht!«
    »Und woher wissen deine Kunden, dass es gut ist, was du da verkaufst?«
    »Das wissen sie, wenn sie es nehmen!«
    »Aha.«
    »Das ist eine Sache von Vertrauen. Natürlich kommt jeden Monat einer daher, der glaubt, er könne einfach einsteigen – aber so funktioniert das nicht. Ich bin seit 15 Jahren im Geschäft – und ich bin gut darin.«
    Er ist offensichtlich stolz darauf, wie er seine Arbeit macht.
    »Schon mal erwischt worden?«
    »Kein einziges Mal – auch wenn es ein paar Mal knapp war! Ganz ehrlich: Die Polizei kontrolliert nicht wirklich, manche lassen einen gegen ein paar Geschenke in Ruhe. Hin und wieder opfert sich einer, damit wieder Ruhe ist. Hoffentlich bleibt das so.«
    Er klopft mit der Faust auf seinen alten Wohnzimmertisch.
    »Und was ist mit den Menschen, denen du das verkaufst? Du weißt, dass du ihnen damit schadest …«
    Er hat auf diese Frage gewartet.
    »Klagst du jede Brauerei an, wenn einer Alkoholiker wird? Willst du dich mit Verkäufern von Messern anlegen, nur weil einer den anderen absticht? Ich bin Geschäftsmann. Ich kaufe Sachen ein und verkaufe sie mit Gewinn. Fertig. Aus. Dass meine

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