Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
sondern auch auf einen Scheck über Tausende von Euro. So etwas passiert jeden Tag – zumindest in der Welt der Juristen.
Christian Fahl hat diesen beliebten Fall in seinem Buch Jura für Nicht-Juristen beschrieben: Die Begleiterin findet eine Perle im Essen, zu dem sie ihr Freund eingeladen hat. Wem gehört die Perle? Der Begleiterin, die sie gefunden hat? Dem Partner, der sie eingeladen und damit Essen und Perle gekauft hat? Dem Besitzer des Restaurants, der nicht wusste, dass da eine Perle in der Auster gewesen ist, und der deshalb die Rückgabe fordert? Oder gar dem Fischer, der die Auster einst gefangen und sie an den Besitzer des Restaurants verkauft hat? Der Fall beschäftigt Juristen seit 1905. Fahl führt den Leser auf Irrfährten, er schreibt über Schatzfund, Abstraktion und Aneignungsgestattung und erklärt, wie anerkannte Juristen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und warum am Ende der Restaurantbesitzer die besten Chancen hat.
Laien zeigt dieser Fall: Das Recht ist ein hochkomplexes System, das eine eigene Methodik hat und nach eigenen Gesetzen funktioniert. Es ist ein Monstrum, mit dem sich nicht einmal mehr jene auskennen, die es einst geschaffen haben. Es ist, als würde Victor Frankenstein vor seinem Monster stehen, auf die Einzelteile blicken und feststellen, dass er da etwas Schreckliches erschaffen hat – dass er aber nicht mehr in der Lage ist, es zu kontrollieren.
Natürlich sind diese Fälle auch für den Laien interessant zu lesen, doch eigentlich sind sie ihm egal. Er möchte wissen, wie das tägliche Leben durch das Recht beeinflusst wird. Rechtsprechung soll ein Instrument der gesellschaftlichen Konfliktlösung sein und kein Lieferant für Schenkelklopfer beim Juristenstammtisch.
Wir wollen Hilfe, wo uns halbwahre Volksweisheiten die Sinne vernebeln. Und es gibt zwei Bereiche, in denen wir vor lauter Halbwahrheiten schon gar nichts mehr sehen: beim Restaurantbesuch und beim Mieten einer Wohnung. Das sind die Bereiche im Dschungel, in die sich nicht einmal giftige Spinnen und acht Meter lange Schlangen trauen.
(Un-)Wichtiges Wissen
Es ist nicht erlaubt, seinen Kinder-
wagen im Hausflur zu parken,
ohne ihn zu nutzen. Gelegentliches
Abstellen ist gestattet, doch vor
allem abends und in der Nacht soll
der Flur frei sein. (OLG Hamm)
Etwa 50 Millionen Menschen wohnen hierzulande zur Miete, und nicht immer geht es harmonisch zu. Mal ärgert man sich über den Vermieter, mal regt einen der Nachbar auf, und natürlich nörgelt die Putzfrau an jedem Dienstag darüber, dass da immer noch der Kinderwagen im Treppenhaus herumstehen würde. Dann erklärt man ihr selbstbewusst, dass dies völlig legal sei und dass sie eben drumherum putzen oder den Wagen kurz wegschieben solle.
Andauernd kommt es in Deutschland zu heftigen Streitereien, die sich nur noch vor Gericht klären lassen. Mehr als 300000 Wohn- und Mietfälle müssen die Richter pro Jahr bearbeiten. Ein Richter sagte mir: »Die Leute hören Halbwahrheiten, dann ärgern sie sich über den Nachbarn oder den Vermieter und glauben, sie wären im Recht. Es beginnt mit Kleinigkeiten, wird immer größer, und schließlich gibt es einen handfesten Streit. Die Mischung aus Unkenntnis und Sturheit führt dann zu einem Fall, den es eigentlich nie gebraucht hätte.« Das habe auch zur Folge, dass es mittlerweile vor dem Einzug zu wahren Verhören kommt.
Als ich mit meiner Familie vor einigen Jahren in München eine Wohnung suchte, haben wir den potenziellen Vermietern alles mitgeteilt, was die wissen wollten: Haben wir Schulden? Wollen wir noch mehr Kinder? Wer sind unsere Arbeitgeber? Ist einer von uns arbeitslos? Sind wir vorbestraft? Das alles haben wir beantwortet, hätten es aber nicht müssen. In München kämpfen allerdings Menschen um Wohnungen wie Frauen um Schuhe beim Winterschlussverkauf – und die Chancen auf eine Wohnung erhöhen sich natürlich nicht unbedingt, wenn man dem Vermieter bei der Frage nach Vorstrafen entgegenschleudert: »Geht Sie gar nichts an!«
Wissen für Nichtjuristen
Der Bundesgerichtshof entschied
im Jahr 2008, dass Raucher beim
Auszug nicht verpflichtet werden
können, die Wohnung in beson-
derem Maße zu renovieren – sie
müssen es nur tun, wenn die Spu-
ren des Rauchens nicht durch
Anstreichen und Tapezieren be-
seitigt werden können.
Wir wurden auch häufig gefragt, ob wir Raucher seien. Manche Vermieter erklärten ihr Haus zur rauchfreien Zone und wollten nur Mieter haben, die auf die tägliche
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