Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
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Es ist wie bei der Auster. Wer nicht nachsieht, ob da eine Perle drin ist, der darf sich hinterher nicht darüber beschweren. Viele Vermieter nutzen die Unwissenheit der Mieter aus – aber es gehört natürlich zu den Pflichten, sich über die eigenen Rechte zu informieren.
Allerdings müssen Sie sich dann auch an die Regeln halten: Wir haben den Kinderwagen entfernt, wir lassen den Trockner nicht mehr nach zehn Uhr abends laufen, unser Sohn darf nur noch dann »Rock Band« in voller Lautstärke spielen, wenn in der Hypnosepraxis unter uns keine Sitzung stattfindet. Wir halten uns strikt an die Vorgaben zur Mülltrennung – und wenn wir bald ausziehen, dann werden wir keine Nachmieter präsentieren, sondern rechtzeitig kündigen und die Kündigung mit dem Wechsel des Wohnorts begründen.
Wer auf die Rechte pocht, der muss sich auch an die Pflichten halten. Es geht nicht immer nur darum, möglichst viel für sich herauszuschlagen, sondern sich mitunter so zu verhalten, dass es allen besser geht. Nicht nur in einem Mietshaus.
Der zweite große Konfliktort menschlichen Zusammenlebens ist wie erwähnt das Restaurant. Meistens geht es dort aber nicht um eine Perle in der Auster. Wir sind dort ständig mit dem Gesetz in Kontakt, an kaum einem anderen Ort gibt es derart viele Halbwahrheiten, die wir glauben. Es geht um miesen Service, verdorbenes Essen, schlecht gemixte Cocktails und Schrotkugeln im Hackfleisch.
Wer eine Schnecke im Salat findet, darf zwar den Salat zurückgehen lassen und muss auch danach nichts mehr essen – er muss aber die zuvor verzehrten Gerichte bezahlen. Wer sich beim Genuss von Fleisch einen Zahn ausbeißt, der muss beweisen können, dass dies tatsächlich wegen eines Fremdkörpers passiert ist. Ein Mann in Spandau bekam kein Geld, obwohl er beim Ć evap č i ć i-Essen einen Backenzahn verloren hatte. Es könnte auch beim Biss auf ein Knorpelteilchen passiert sein, entschied der Bundesgerichtshof. Ein Mann im Schwarzwald dagegen bekam Geld, weil er beweisen konnte, dass der Zahnverlust auf ein Schrotkorn zurückzuführen war. Der Gast musste aber immerhin noch drei Viertel der Rechnung bezahlen, denn das Gericht stellte fest: Wer Wild isst, muss vorsichtig kauen.
Auch eine Reservierung kann nicht unbedingt ohne Konsequenzen abgesagt werden: Kann der Wirt nachweisen, dass ihm dadurch ein Schaden entstanden ist – wenn er etwa andere Gäste abweisen musste oder er eingekauftes Essen nicht verwenden kann –, dann kann er Schadenersatz verlangen. In England ist es bereits üblich, bei Reservierungen die Kreditkartennummer zu verlangen und einem ferngebliebenen Gast bis zu 50 Pfund in Rechnung zu stellen. Von derart drastischen Maßnahmen habe ich in Deutschland noch nicht gehört, eine Schadenersatzforderung ist indes nicht so selten, wie man glauben mag.
Meine Frau und ich haben uns vorgenommen, diese Fehleinschätzungen zu überprüfen und zu testen, wie die Menschen damit umgehen. Zuerst einmal im Steakhaus. Wir geben unsere Jacken am Eingang ab, ich sage zur netten Bedienung: »Passen Sie bloß darauf auf, die sind neu.«
Sie sieht uns verwundert an. An der Garderobe hängt wie in allen deutschen Wirtshäusern ein Schild – weshalb ich schon einmal ausgerechnet habe, wie reich der Mensch sein muss, der diese Schilder herstellt. Es gibt in Deutschland etwa 189000 Restaurants, Cafés, Eisdielen und Wirtshäuser – und in jedem davon gibt es dieses Schild. Würde man diese Schilder einfach übereinanderlegen, dann gäbe es einen Turm, der etwa 630 Meter hoch wäre – und damit nach dem Burj Khalifa das zweithöchste Gebäude der Welt. Der Hersteller der Schilder müsste so reich sein, dass er sich einen Turm dieser Höhe leisten könnte. Rechnet man Diskotheken und Clubs noch hinzu, könnte es zum höchsten Bauwerk des Planeten reichen.
Auf diesem Schild stehen vier Worte: »Für Garderobe keine Haftung«. In den meisten Fällen ist dieses Schild noch nutzloser, als es ein Turm aus diesen Schildern wäre.
Ich bestelle ein 750-Gramm-Steak – und sorge nur kurz für Verwirrung, als ich meine Waage zücke und kurz prüfe, ob das Steak wirklich 750 Gramm wiegt.
(Un-)Wichtiges Wissen
Die Gewichtsangabe in der Speise
karte muss sich auf das Gewicht
des Stückes beziehen, das auf dem
Tisch liegt.
Nachmessen macht einen nicht gerade beliebt – und die eigene Frau hasst einen schon zu Beginn eines schönen Abends.
Das Steak war schwer
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