Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
Richtwerten. In reinen Wohngebieten liegen sie tagsüber bei 50 und nachts bei 35 Dezibel.
»Das sind Richtwerte für Gewerbelärm.«
»Aufgrund der Regelmäßigkeit muss ich davon ausgehen, dass es sich dabei um Gewerbelärm handelt!«
»Und was willst du machen? Die beiden verklagen?«
»Ich dachte eher daran, die Miete zu mindern. Es gibt da Urteile.«
»Wenn ich bei meinem Projekt etwas gelernt habe, dann das: Man sollte erst einmal mit den Leuten reden.«
»Bist du betrunken? Willst du da runtergehen?«
»Klar!«
Ich nehme seinen Notizblock und sein Messgerät und stürme aus der Wohnung. Er folgt mir – und vergisst dabei vollkommen, dass er immer noch seinen Schlafanzug mit Superman-Logo trägt.
Ich klopfe, wenige Sekunden später öffnet eine Frau in Shorts und T-Shirt die Wohnungstür. Sie sieht ein wenig aus wie Miranda aus Sex and the City und nicht wie eine frisch aufgespießte Wildsau.
Wissen für Nichtjuristen
Das Amtsgericht Charlottenburg ent-
schied, dass die Miete um
30 Prozent gemindert werden
darf, wenn sich im Haus ein Bor-
dell befindet.
»Dürfen wir kurz reinkommen? Wir müssten etwas besprechen.«
Sie mustert mich, dann mustert sie Tobi – dann bittet sie uns herein. In der Wohnung riecht es nach Tee und Marihuana, es sieht aus, als wäre hier das Zentrum für Esoterik. Wir gehen in die Küche, dort sitzt ein Mann am Tisch, raucht eine Zigarette und trinkt Tee. Ich muss kichern, weil er tatsächlich ein wenig aussieht wie ein Elch.
»Hört zu, das ist alles ein bisschen unangenehm – Superman hier wohnt direkt über euch und bekommt jeden Sonntagmorgen mit, was ihr hier so treibt.«
Dem Gesichtsausdruck der beiden ist anzumerken, dass ihnen das alles andere als peinlich ist. Sie grinsen. Wem die Situation überaus peinlich ist: Tobi, der am Tisch steht und herumtrippelt.
»Tobi hat das protokolliert – und es stört ihn ungemein. Ich bin eher beeindruckt von der Quantität und der Regelmäßigkeit.«
Die beiden sehen sich an, dann lachen sie laut los.
Tobi und ich gucken irritiert.
»Ich wusste nicht, dass wir so laut sind.«
Ihr Gesichtsausdruck verrät, dass sie lügt.
»Es ist so: Mein Freund ist Franzose, er arbeitet seit ein paar Monaten in Straßburg. Er nimmt am Samstagabend den ersten Zug, den er bekommen kann, und kommt um halb acht Uhr am Bahnhof an. Dann eilt er natürlich sofort hierher. Wir haben nur den Sonntag, weil er spätestens am Montagmorgen wieder nach Straßburg fahren muss.«
Manchmal gibt es für mysteriöse Beobachtungen ganz einfache Erklärungen.
»Könnt ihr vielleicht ein bisschen leiser sein in Zukunft? Superman braucht seinen Schlaf, ihr seid wie ein Kryptonit für seine Kräfte am Sonntag.«
(Un-)Wichtiges Wissen
In Deutschland ist Sex mit Tieren
seit dem Jahr 1969 per Gesetz
erlaubt. Es gibt immer wieder
Versuche, eine Novelle des Tier-
schutzgesetzes einzuführen und
sexuelle Handlungen mit Tieren
oder auch das Abrichten für solche
Handlungen zu verbieten.
»Wir bemühen uns.«
Wir trinken noch einen Tee und stellen fest, dass der Freund während unseres kompletten Besuchs kein einziges Wort sagt, dann gehen wir.
»Siehst du, geht doch!«
Tobi sieht mich böse an.
»Du weißt, dass ich dich grundsätzlich hasse. Aber mein Hass war noch nie größer als in diesem Moment.«
»Warum denn?«
»Ich stehe im Superman-Schlafanzug in einer fremden Wohnung, während mein Freund einer Sexsüchtigen erklärt, dass ich derart einsam und verzweifelt bin, am Sonntag ihre Aktivitäten zu protokollieren!«
Tobi spricht nach diesem Zwischenfall zwei Monate nicht mehr mit mir – mittlerweile ist er in einer Beziehung und sagt, dass auch er sehr gut einen Elch nachahmen kann. Ich bin mir nicht sicher, aber ich fürchte, dass er darüber sehr penibel Protokoll führt.
Ich habe dadurch gelernt, dass es sich vor allem im Bereich des Zusammenlebens in einem Mietshaus durchaus lohnt, sich mit den Regeln und Gesetzen zu beschäftigen, bevor man sich unnötig aufregt oder zu spät feststellt, dass man über den Tisch gezogen wurde. Wir haben es in unserer Wohnung geschafft, dass Toilettenspülung und Sprechanlage repariert wurden und regelmäßig die Heizung entlüftet wird. Wir haben sogar durchgesetzt, dass wir in unserer Wohnung einen Trockner aufstellen durften – und zwar genau dort, wo wir es wollten –, ohne dass die Vermieterin etwas dagegen sagen konnte. Es ist auch uns überlassen, wann und wie lange wir das Fenster
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