Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
mit den Jungs!« Das ist schön für meine Freunde, die nun wissen, dass sie am Abend auf mich zählen können. Das ist auch schön für meinen Sohn, der nun weiß, dass er tagsüber auf mich zählen kann. Das ist aber auch schön für meinen Chef, der nun weiß, dass er heute definitiv nicht auf mich zählen kann. Super ist das auch für mögliche künftige Chefs, die nun wissen, dass ich am Wochenende nicht gerne arbeite.
Eine Studie des Verbraucherschutzministeriums zeigte, dass mehr als 35 Prozent der Unternehmen in sozialen Netzwerken Details über die Bewerber recherchieren. Deshalb wäre es besonders aufschlussreich für aktuelle und künftige Chefs, wenn ich während der Arbeitszeit bei Facebook posten würde: »Puh, bin ich müde! Ich schlafe gleich ein! Arbeit kotzt mich an!« Habe ich noch nicht gemacht. Viele Freunde und Kollegen schon.
Vor allem aber ist meine Statusaktualisierung schön für Facebook . Die wissen nun, was ich den ganzen Tag über machen werde – und selbst wenn ich den Eintrag löschen würde, auf den Servern von Facebook bliebe er gespeichert.
Mir gelingt ein wunderbarer Schnappschuss von meinem Sohn in dem Moment, als er mit Anlauf von der Couch herunterspringt und auf mich zusegelt wie ein Catcher, der seinen Gegner endgültig erledigen möchte. »Papi tacklen«, nennt mein Sohn das. »Unbeschreibliche Schmerzen im Unterleib«, nenne ich das.
Ich lade das Foto sofort bei Facebook hoch, weil ich möchte, dass meine Freunde den genialen Sprung sehen können. Das ist schön für meine Mutter, die auf diese Weise ihren Enkel beim Spielen sehen kann, obwohl sie fast 300 Kilometer entfernt wohnt. Das ist auch schön für meine Freunde, die wissen, dass ich nach dem Sprung in Embryostellung auf dem Boden kauere, und deshalb lustige Kommentare verfassen dürfen. Vor allem aber ist es schön für Facebook. Das Foto gehört nämlich nun Facebook. Sagt Facebook. Hätte ich meinen Sohn markiert, dann wüsste Facebook auch, wen ich fotografiert habe. Was Facebook sicher weiß: Welcher meiner Freunde schreibt welche Kommentare darunter? Wer schreibt besonders viele Kommentare unter Fotos von mir? Und über welche Themen wird in diesen Kommentaren gesprochen? Das ist wunderbar für Facebook. Noch schöner: Selbst wenn ich das Foto von meiner Profilseite löschen sollte, bleibt es auf dem Server von Facebook gespeichert.
Am Vormittag frage ich eine Freundin per SMS , ob sie mit ihrem Sohn zum Spielplatz kommen möchte. Das Versenden der Nachricht ist kostenlos, weil ich auf meinem Mobiltelefon eine Applikation installiert habe. Das ist schön für mich. Die Nachricht wird allerdings nicht an die Freundin geschickt, sondern erst einmal auf einem Server in den Vereinigten Staaten abgelegt – der Empfänger kann sie sich lediglich ansehen. Der Betreiber der Applikation kann meine Nachrichten, wenn er denn möchte, für immer speichern. Das ist schön für den Betreiber, vor allem deshalb, weil ein Server ein besseres Gedächtnis hat als ich. Er kann auch sehen, wann ich welche Nachrichten an wen geschickt habe. Auch das ist schön für den Betreiber. Der Betreiber weiß nun aber auch, zu welchem Spielplatz ich in wenigen Minuten gehen werde. Und er weiß, ob meine Freundin noch andere Menschen zum Spielen einlädt. Damit weiß der Betreiber mehr als ich.
Vor dem Mittagessen bemerke ich, dass ich mein Smartphone verlegt habe. Es liegt in den Händen meines Sohnes, der versucht, bei einem Spiel mit wütenden Vögeln gemeine Schweinchen abzuschießen. Hätte ich das Telefon auf dem Spielplatz vergessen, so wäre das auch kein großes Problem gewesen – der Netzbetreiber bietet den genialen Service an, mein Handy orten zu können, solange es eingeschaltet ist. Ich kann dann auf einer Landkarte sehen, wo mein Telefon ist. Das ist schön für mich. Der Betreiber allerdings kann dann auch sehen, wo mein Telefon ist. Das ist schön für den Betreiber.
Wissen für Nichtjuristen
Das Internet ist entgegen der
Meinung vieler Menschen kein
rechtsfreier Raum. Grundsätzlich
gelten dort die gleichen Gesetze
wie in der analogen Welt.
Ich bekomme danach eine E-Mail von meinem Freund, der mich überwachen soll. Er nutzt für seine privaten E-Mails ein webbasiertes Programm. Ich auch. Das bedeutet, dass er von überall aus Nachrichten verschicken und empfangen kann. Ich auch. Das ist schön für uns. Die E-Mails liegen auf den Servern der jeweiligen Anbieter – so wie alle E-Mails, die wir beide jemals
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