Mit einem Fuß im Himmel
normaler Lautstärke, warum du dich eigentlich so aufregst?«
»Weil du sagtest... du sagtest doch eben, für dich sei das Ganze...«
»Till, es war nur ein Scherz.«
»Wirklich?«
»Was dachtest du denn?«
»Ach so«, seufzte er, teils erleichtert, teils auf befremdende Weise enttäuscht. »Wenn das so ist...«
»Ja, genauso, Till! Und hier bin ich übrigens schon zu Hause.«
»Liselotte...«
»Gute Nacht, du treuer Bräutigam!« Sie reichte ihm die Hand. »Feiere nicht mehr zu lange!«
»Liselotte, wir wollen doch nicht so auseinandergehen!«
Sie machte sich mit einer raschen Bewegung frei. »Das Spiel ist aus, Herr Torsten!«
Er sah ihr nach, wie sie durch den Vorgarten ging, die Tür aufschloß und im Haus verschwand. Er wußte selber nicht, warum, aber er wartete so lange, bis er Licht in ihrer Wohnung sah. Dann erst wandte er sich zum Gehen.
Es war eine wirklich abscheuliche Situation, in die er da geraten war — hier Liselotte und dort Gaby. Natürlich lag der Fehler an ihm, da hatte Liselotte ganz recht, es war leichtsinnig, verantwortungslos und feige von ihm gewesen, ein anderes Mädchen in der Rolle seiner Braut auftreten zu lassen, anstatt seinen Freunden die ein wenig peinliche, aber doch keineswegs so schlimme Wahrheit zu gestehen. Wie hatte er das nur tun können? Wie konnte es überhaupt passieren, daß er, ein ruhiger, vernünftiger und keineswegs dummer Mensch, zudem ein Mensch mit fundierten moralischen Grundsätzen, in eine solche Schwierigkeit geraten konnte?
Natürlich war es nicht schwer, die ganze Angelegenheit rein äußerlich wieder ins Lot zu bringen. Liselotte brauchte er nie wiederzusehen, Gaby würde ihn morgen früh anrufen, dessen war er sicher, sie würden sich versöhnen und dann, ein wenig später als vorgesehen, heiraten. Ganz einfach also — und dennoch! War es anständig von ihm, Liselotte so einfach fallenzulassen? War es richtig, sich mit Gaby auszusöhnen, obwohl er wußte, daß er Liselotte nicht so leicht vergessen konnte? Konnte er es überhaupt verantworten, ein so junges und unschuldiges Mädchen wie Gabriele zu heiraten, da er doch erkannt hatte, daß seine Treue durchaus nicht so fest gegründet war, wie er immer geglaubt hatte? Hatte er nicht Gaby vielleicht von Anfang an falsch behandelt, war es nicht im Grunde ganz verkehrt gewesen, immer nur ein Kind in ihr zu sehen, das man erziehen mußte, nie jedoch die Frau, die sie wohl doch schon war? Und — liebte er nun Liselotte, oder liebte er Gaby? Bildete er sich nur ein, daß auch Liselotte etwas für ihn empfand, oder hatte sie einfach einen Narren aus ihm gemacht? Und wie stand es in dieser Beziehung mit Gabriele?
Während ihm diese Gedanken durch den Kopf schossen, wurde ihm zum erstenmal in seinem Leben klar, warum die Leute an Tante Hedwig schrieben. Jetzt, da er selber unendlich dankbar für einen klugen Rat, für die objektive Beurteilung seiner verzwickten Seelenlage gewesen wäre. Jetzt begriff er auch, daß es selbst vernünftigen Menschen passieren konnte, in einen Wirrwarr der Gefühle zu geraten, aus dem sie keinen Ausweg mehr, finden konnten. Er erkannte, daß es schicksalhafte Strömungen und Zusammenhänge gibt, die sich mit dem Verstand allein nicht erklären und enträtseln lassen, und daß selbst Menschen, die ständig darum bemüht sind, ihr Leben bewußt zu meistern, diesen Unterströmungen, wenn sie einmal davon erfaßt sind, hilflos ausgeliefert sein können.
XVII
Es war spät in der Nacht, als Hein Grotius endlich nach Hause kam, und er hatte, um der Wahrheit die Ehre zu geben, Gaby, seinen Logierbesuch, im Laufe des Abends vollständig vergessen. Erst als er die Wohnungstür aufschloß, erinnerte ihn der feine, ungewohnte Duft ihres Parfüms an sie und die Ereignisse des Nachmittags. Unwillkürlich trat er sehr leise und vorsichtig auf und öffnete ganz behutsam die Türe zu seinem Wohnraum. Er brauchte kein Licht anzuknipsen, um Gabriele im Zwielicht der Frühlingsnacht zu entdecken, die süß und friedlich schlummernd und ganz zusammengerollt auf seiner Couch lag.
Eine Weile blieb er stehen und betrachtete sie. Wie süß und unschuldig sie aussah, das kleine Biest, als ob sie kein Wässerchen trüben könnte. Dabei hatte sie es faustdick hinter den kleinen Ohren, darüber war Hein sich klar. Irgend etwas stimmte mit ihr nicht, vielleicht war sie von zu Hause durchgebrannt, vielleicht aber hatte sie noch etwas Schlimmeres auf dem Gewissen. Wie fest sie schlief! Ob sie wohl
Weitere Kostenlose Bücher