Mit einem Fuß im Himmel
träumte? Was mochten es wohl für Träume sein?
Hein Grotius schoß es plötzlich durch den Kopf, daß er sie wecken könnte, um zu versuchen, die Wahrheit aus ihr herauszubekommen. Aber er gab den Gedanken rasch wieder auf. Wozu? Wahrscheinlich würde sie ihm doch nur etwas vorlügen. Und was sollte ihm eigentlich daran gelegen sein zu erfahren, warum Gaby in seine Wohnung gekommen war? Vielleicht hätte er dann etwas unternehmen müssen, und nichts haßte er mehr, als in anderer Leute Angelegenheiten hineingezogen zu werden. Er hatte mit seinen eigenen genug zu tun. Nein, sollte sie ruhig schlafen. Im Schlaf konnte sie wenigstens keine Dummheiten begehen — und er auch nicht.
Aber er konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihr wenigstens einen zarten Kuß auf die Stirn zu drücken. Gaby lächelte im Traum und warf sich auf die andere Seite. Hein aber wandte sich endgültig ab und begab sich in sein Schlafzimmer. Bald war auch er selber dem Tage und der Wirklichkeit weit entrückt.
Liselotte Klaus hatte der Abend bei Till Torsten keineswegs in einen Wirrwarr der Gefühle gestürzt. Sie war jetzt entschlossener denn je, ihn für sich zu erobern, koste es was es wolle. Sie hatte gut genug gespürt, daß er bereits angeschossen war, das war weit mehr, als sie nach so kurzer Zeit erwarten durfte. Jetzt galt es, ihn endgültig zur Strecke zu bringen, und das mußte ihr bei einiger Klugheit, Geschicklichkeit und Geduld auch gelingen, wenn es nicht mit dem Teufel zuginge.
Vor allem durfte sie sich nicht die Initiative aus der Hand nehmen lassen, sie mußte handeln, irgend etwas unternehmen, um ihn endgültig zu gewinnen. Das beste war wohl, wenn sie ihn einfach bei der Redaktion des Ausblick anrief.
Liselotte konnte es kaum erwarten, bis es endlich neun Uhr war. Das war der früheste Zeitpunkt, zu dem Till Torsten dort erschienen sein konnte.
Ihr Herz klopfte bis zum Halse, als sie sich meldete: »Hier spricht Liselotte Klaus! Könnte ich wohl Herrn Torsten sprechen?«
»Augenblick, bitte!« entgegnete eine weibliche Stimme, und am anderen Ende der Leitung hielt Fräulein Lilly, die Vorzimmerdame, den Hörer zu und wandte sich an Dr. Speelmann, der auf der Schreibtischkante saß und eine Zigarette rauchte. »Tante Hedwig ist doch noch nicht da, was, Doktorchen?«
»Wer will ihn denn sprechen?«
»Ein Fräulein Liselotte Klaus.«
»Lassen Sie mich mal!« Dr. Speelmann nahm Fräulein Lilly den Hörer aus der Hand und sagte gutgelaunt: »Guten Morgen, Fräulein Liselotte! Hier spricht Speelmann!«
»Ah, Sie sind’s! Wie nett! Sagen Sie, ist alles friedlich abgelaufen gestern nacht?«
Dr. Speelmann lachte. »Na, verschiedenes ist zu Bruch gegangen, aber das gehört ja dazu, nicht wahr?«
»Und ob!« stimmte Liselotte zu. »Ist mein Bräutigam schon aufgekreuzt?«
»Ach ja, Sie wollen natürlich unsere Tante Hedwig sprechen, aber da muß ich Sie leider enttäuschen!«
»Woher wissen Sie das?« fragte Liselotte verblüfft.
»Er ist noch nicht gekommen!«
»Tante Hedwig?«
»Ja, natürlich, wir nennen ihn hier nur die Tante Hedwig! Ein ziemlich dummer Witz, nicht wahr?«
Blitzartig und in erschreckender Deutlichkeit wurden Liselotte die Zusammenhänge klar, aber sie wollte ganz sicher gehen. »Er ist eure Tante Hedwig, nicht wahr?« fragte sie und konnte nur mühsam das Zittern ihrer Stimme unterdrücken.
»Eben deshalb!« Dr. Speelmann lachte, er ahnte nicht, was er angerichtet hatte. »Tante Hedwig wird wohl heute erst später kommen. Kann ich etwas ausrichten?«
»Danke, nein, danke«, stotterte Liselotte, »nichts!«
»Am besten rufen Sie ihn in seiner Wohnung an!«
»Ja, vielleicht...«
»Oder später hier bei uns!«
»Ja, vielen Dank, ich danke Ihnen. Ich muß jetzt Schluß machen.«
»Bis bald, Liselotte!« rief Dr. Speelmann noch ins Telefon, dann hörte er, wie sie aufhängte. »Ein nettes Mädchen ist das, seine Braut!« erklärte er, während er vom Schreibtisch rutschte. »Da kann man nur sagen, die dümmsten Bauern ernten die dicksten Kartoffeln.«
»Seine Braut? Aber das war nicht seine Braut.«
»Nein?«
»Ganz bestimmt nicht. Diese Dame hat heute zum erstenmal angerufen! Seine Braut ist ein Fräulein Gabriele Görner!«
»Also doch«, sagte Dr. Speelmann, dem ein großes Licht aufging. »So ein Schwindler!«
»Wie meinen Sie das?«
»Überhaupt nichts, mein Mädchen. Nehmen Sie an, Sie hätten sich verhört. Und nun wollen wir uns mal im D-Zug-Tempo auf die Arbeit
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