Mit einem Fuß im Himmel
hörte nicht mehr auf die Scherze und Anspielungen der anderen, sie war glücklich, in seinen Armen zu hegen, und sie fühlte, daß auch er ihr in diesen kurzen Minuten ganz nahe war.
»Nun stellt doch mal endlich den alten Klapperkasten ab!« rief Dr. Speelmann, aber Liselotte vernahm kein Wort davon, sie schrak erst zusammen, als die Musik plötzlich abbrach.
»Was ist denn?« fragte sie, jäh in die Wirklichkeit zurückgestoßen.
»Wir wollen Sie jetzt singen hören, Liselotte«, erklärte Dr. Speelmann vergnügt. »Das ist der Grund!«
Die anderen stimmten ihm begeistert zu. »Sie ahnen ja nicht, wie oft Ihr guter Bräutigam uns von Ihrer Stimme vorgeschwärmt hat!«
Liselotte hatte sich schon gefaßt. »Wer wird mich denn begleiten?« fragte sie lächelnd und löste sich aus Till Torstens Armen.
»Aber Liselotte«, protestierte Till Torsten entsetzt, »du willst doch nicht wirklich...?«
Liselotte war schon zum Klavier getreten, öffnete den Deckel, klimperte ein wenig auf den Tasten und lächelte Till verschmitzt zu.
»Du kannst doch gar nicht singen!« entfuhr es Till Torsten.
»Jetzt werden Sie aber komisch!« lachte Dr. Speelmann, der den Ausruf Till Torstens für einen Scherz hielt, und die anderen stimmten ausgelassen in sein Gelächter ein.
»Ich meine, du bist doch heute heiser!« verbesserte sich Till Torsten rasch und sah Liselotte flehend an.
»Wie kommst du darauf, Till?« fragte sie süß.
»Du hast es mir doch selber gesagt.«
»Da mußt du dich verhört haben.«
Dr. Speelmann war zu Liselotte ans Klavier getreten. »Würden Sie mir die Ehre geben, Liselotte, Sie begleiten zu dürfen?« Er verbeugte sich mit übertriebener Feierlichkeit.
»Aber gerne, keinem lieber als Ihnen«, entgegnete Liselotte vergnügt.
»Liselotte! Bitte, warum tust du das?« Till Torsten war der Verzweiflung nahe.
»Ich begreife gar nicht, weshalb du dich so aufregst!« tat Liselotte höchst unschuldig und erstaunt.
»Lassen Sie ihn doch! Er spinnt ein bißchen, der Gute«, erklärte Dr. Speelmann und setzte sich vor das Klavier. »Was wollen Sie singen?«
»Augenblick! Wie wär’s mit >Erst war es nichts als Zufall«
Till Torsten, der bisher gehofft hatte, Liselotte sei es doch nicht ernst mit der Singerei, sah all seine Felle davonschwimmen. Er stürzte verzweifelt aus dem Zimmer, um der unvermeidlich gewordenen Blamage zu entgehen. Aber auf dem Flur blieb er plötzlich stehen, um Liselottes Stimme zu lauschen, die jetzt warm und tief, völlig ungeschult, aber in einer natürlichen Musikalität einsetzte:
»Erst war es nichts als Zufall,
dann wurde Schicksal draus,
und nun bin ich bei dir
und nirgends sonst zuhaus!«
Till Torsten haßte Schlager, und dieser war so banal wie irgendeiner, aber dennoch fühlte er sich nicht nur von Liselottes Stimme, sondern auch von dem einfachen Text merkwürdig berührt und betroffen. Warum hätte er selber nicht zu sagen vermocht. Zum ersten Mal wurde es ihm deutlich, daß er, obwohl er natürlich Gaby liebte — er liebte sie, daran bestand für ihn kein Zweifel — daß er trotzdem Liselotte sehr ungern aus seinem Leben verschwinden sehen würde. Er wollte sie nicht verlieren. Aber er wußte auch, daß er sie nicht halten konnte, und das war ein ziemlich schmerzliches Gefühl für ihn. Es setzte ihm weit mehr zu als alle Ängste, die er je infolge der Kapricen Gabrieles ausgestanden hatte.
Drinnen setzte stürmischer Beifall ein, er hörte, wie Liselotte von allen Seiten bedrängt wurde, noch etwas zuzugeben, aber diesmal weigerte sie sich entschieden.
»Ich bin schrecklich müde, wirklich!« behauptete sie.
»Laßt das Kind in Ruhe«, ergriff Dr. Speelmann ihre Partei. »Kommen Sie, setzen Sie sich, Liselotte, trinken Sie einen Schluck und ruhen Sie sich ein wenig aus!«
»Sehr lieb von Ihnen, aber ich glaube, ich gehöre ins Bett!«
»Schon?«
»Erst«, erwiderte sie lächelnd und sah auf ihre Armbanduhr. »Es ist zwei Uhr vorbei, und ich muß morgen wieder früh aus den Federn.«
Sie reichte den Herren nacheinander die Hand, ließ sich noch einmal vom wärmenden Strom nicht sehr geistvoller, dafür aber ehrlich empfundener Schmeicheleien überfluten und kam dann, von Dr. Speelmann begleitet, in den Flur hinaus.
Till Torsten stand immer noch, in Gedanken versunken, draußen. Er hatte sich eine Zigarette angesteckt.
»Torsten, Ihre Braut ist müde.«
Till Torsten schrak zusammen. »Liselotte«, sagte er, »willst du wirklich schon nach Hause
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