Mit einem Fuß im Himmel
wenigstens für ein Stündchen die Wohnung zu verlassen, aber Gabriele war mißtrauisch.
»Ich sehe das durchaus nicht ein, Hein!« erklärte sie aufgebracht und warf ihren Löffel klirrend in die leere Kaffeetasse.
»Ist es denn wirklich eine solch schreckliche Zumutung, wenn ich dich bitte, heute nachmittag ein bißchen ins Kino zu gehen?« rief Hein Grotius.
»Dir hegt ja gar nichts daran, daß ich ins Kino gehe! Du willst mich einfach los sein, das ist es!«
»Unsinn! Du weißt genau, wie sehr ich dich liebe! Ich will dich nicht los sein, im Gegenteil, ich will dich behalten!«
»Aber du möchtest mich heute nachmittag von hier forthaben, gib es doch zu!«
»Ja, ja, stimmt! Weil ich einen Geschäftsbesuch erwarte! Wie oft soll ich dir das noch erklären?«
»Warum kann ich da nicht dabeisein?«
»Nun sei doch vernünftig, Gaby! Was würde dieser Herr denn denken müssen, wenn er dich hier bei mir fände? Wir sind doch schließlich nicht verheiratet!«
»Ach! Du hast also Angst, ich könnte dich kompromittieren,
wie?«
»Nein! Ich habe Angst, dich zu kompromittieren!«
»Das ist furchtbar lieb von dir, Hein, wirklich. Aber mir ist das ganz schnuppe!«
»Aber mir nicht! Gerade weil ich dich liebe!«
»Liebst du mich wirklich?«
»Ja, ich liebe dich ehrlich!«
»Ganz gewiß?«
»Völlig gewiß!«
»Wenn du es sagst, klingt es fast überzeugend!«
»Weil es die Wahrheit ist, Gaby, glaub mir doch! Willst du mir jetzt nicht diesen winzigen kleinen Gefallen tun und ins Kino gehen? Du mußt dich beeilen, wenn du in die Zwei-Uhr-Vorstellung willst!«
»Ich will zwar gar nicht in die Zwei-Uhr-Vorstellung...«
»Gaby!«
»...aber dir zuliebe nehme ich es auf mich, mich zwei Stunden lang schrecklich zu langweilen.«
»Es ist ein sehr interessanter Film, Gaby, eine tolle Kiste, sage ich dir!«
»Dann komm doch mit!«
Hein Grotius seufzte. »Ich erwarte Besuch, Gaby, Besuch! Darum dreht sich das Ganze doch. Willst du oder kannst du das nicht verstehen?«
»Geschäftsbesuch, ich weiß schon!«
»Ja, ich habe heute nachmittag eine äußerst wichtige geschäftliche Besprechung!«
»In deiner Wohnung!«
»Jawohl, in meiner Wohnung!«
»Also gut«, sagte Gabriele entschlossen und stand auf, »ich werde gehen! Aber nach vier Uhr bin ich wieder zurück!«
»Mußt du zurück sein, Liebling, ich werde dich ungeduldig erwarten!«
Gaby hatte sich schon zur Türe gewandt, aber dann zögerte sie wieder. »Weißt du, Hein, wenn in meinem Horoskop nicht stünde: >Vertrauen Sie einem Wassermann...<«
»Aber es steht doch darin, nicht wahr?«
»Eben! Und deshalb gehe ich jetzt ins Kino!«
Hein Grotius stand auf und nahm sie in seine Arme. »Ich danke dir, mein Liebes, mein Vernünftiges!«
»Ich muß mich beeilen!« Gabriele machte sich von ihm los, lief in den Flur hinaus, setzte ihr Hütchen auf, nahm ihre Handschuhe und lächelte Hein Grotius noch einmal unergründlich an.
»Noch einen Kuß«, bat er, »einen ganz kleinen!«
»Nachher, wenn ich zurückkomme!« wehrte Gabriele ab. »Auf Wiedersehen, mein Liebling!«
»Bis gleich, mein Kleines!«
Hein Grotius öffnete die Wohnungstür, sie huschte hinaus und die Treppe hinunter, aber als sie oben die Türe ins Schloß fallen hörte, blieb sie auf dem Absatz stehen, lauschte einen Augenblick und lief dann wieder — leise, leise — nach oben, lief an der Wohnung von Hein Grotius vorbei, kauerte sich einige Stufen höher, vom Geländer beschützt, nieder und harrte der Dinge, die da kommen sollten.
Sie brauchte nicht lange zu warten.
Elegant und hübsch kam eine junge Dame die Treppe hinaufgeschwebt. — Möge sie vorbeigehen, nicht zu Hein Grotius! — murmelte Gabriele, aber dieser Stoßseufzer wurde nicht erhört. Die junge Dame klingelte an der Wohnungstür, Hein Grotius öffnete, und die beiden fielen einander — schamlos, wie Gabriele im Geist kommentierte — in die Arme.
»Mein Liebling!« rief die fremde, aber Hein Grotius offensichtlich wohlbekannte junge Dame.
»Endlich!« Er zog sie in die Wohnung, und die Türe fiel ins Schloß.
Es dauerte einige Sekunden, bis Gabriele die Tragweite des Geschehens wirklich erfaßt hatte. Es war schrecklich, ganz schrecklich! Dieser Schuft, dieser verlogene...! Es war doch einfach nicht zu fassen! Mit welch treuem Blick seiner blauen Augen hatte er ihr den »Geschäftsbesuch« vorgegaukelt, und das war nun die Wahrheit! O Gott, die Männer taugten eben alle nichts, außer... ja, außer Till Torsten, der
Weitere Kostenlose Bücher