Mit einem Fuß im Himmel
trostreich, was Sie mir sagen, Doktor. Kurzum, ich stehe auch in diesem Fall wie ein vollendeter Trottel da!«
»Aber Torsten, seien Sie nicht so empfindlich! Ich will Ihnen doch nur klarmachen, wie die Dinge aller Wahrscheinlichkeit nach liegen.«
»Schlecht also, erbärmlich! Und Sie meinen, ich solle versuchen, mich damit abzufinden?«
»Was bleibt Ihnen anderes übrig?«
Liselotte und Anna hatten den Laden abgeschlossen und Mittagspause gemacht. Sie saßen miteinander im Hinterzimmer, Anna hatte sich über einen mächtigen Stapel mitgebrachter Brote hergemacht. Liselotte rauchte eine Zigarette, um ihre Nerven zu beruhigen, und war so mit ihren eigenen Gedanken und Gefühlen beschäftigt, daß Annas munteres Geplauder gar nicht in ihr Bewußtsein drang. Erst als Anna sie energisch in die Seite puffte und laut rief: »Liselotte! Da, hören Sie! Herr Hähnlein!« wurde sie aufmerksam und lauschte jetzt auch auf das Geräusch, das beim öffnen der Ladentür entstand, und auf die Schritte, die danach hörbar wurden.
»Auch das noch!« sagte sie ergeben.
Da erschien Oskar Hähnlein bereits auf der Bildfläche, jeder Zoll der gestrenge Chef. »Fräulein Anna, sind Sie bald soweit?« fragte er und musterte mißbilligend den Haufen belegter Brote.
»Ja, sofort!« gab Anna zurück, und da sie eben einen dicken Bissen mit einem Schluck aus der Thermosflasche hatte hinunterspülen wollen, verschluckte sie sich und prustete los.
»Was soll das?« Oskar Hähnlein zog die Augenbrauen hoch, aber er wartete nicht ab, bis Anna ihren kleinen Anfall überstanden hatte. »Beeilen Sie sich, ich habe eine Sendung Blumen mitgebracht, frisch aus der Gärtnerei! Räumen Sie bitte gleich den Laden aus, Fräulein Anna!«
»Wann? Jetzt?« protestierte Anna, wenig erfreut.
»Wenn ich bitten darf!«
»Und Liselotte? Kann mir Liselotte nicht wenigstens helfen?«
»Für Fräulein Klaus habe ich eine andere Aufgabe!« verwies Oskar Hähnlein sie hoheitsvoll. »Hurtig, machen Sie sich an die Arbeit!«
So blieb Anna nichts anderes übrig als abzuziehen. Sie tat es jedoch nicht, ohne vorher den Mund auf Vorrat vollgestopft zu haben.
Oskar Hähnlein vergewisserte sich mit einem Blick, daß sie auch wirklich zur Straße verschwand, dann schloß er die Türe und wendete sich Liselotte zu. »Meine liebe Liselotte«, begann er, und seine Stimme bebte vor feierlichem Ernst, »mein Mäuschen! Ich möchte mir hiermit noch einmal erlauben, Ihnen in aller Form...«
»Aber doch nicht hier, Herr Hähnlein!« rief Liselotte dazwischen.
»Aber, mein Mäuschen, Sie brauchen doch keine Angst zu haben! Hier stört uns bestimmt niemand!«
»Ich weiß nicht, ich habe das Gefühl...«
»Unsinn, mein Mäuschen. Und wenn schon, was wäre denn dabei? Ich habe das Licht der Öffentlichkeit nicht zu scheuen, ich nicht!«
»Herr Hähnlein, bitte, wollen Sie mir nicht Zeit lassen, daß ich mir alles überlegen kann? Es ist so schnell gekommen, ich hatte doch nicht damit gerechnet, daß Sie sich wirklich scheiden lassen würden.«
»Ihretwegen, mein Mäuschen, nur Ihretwegen! Aber Sie werden mich doch nicht enttäuschen?«
»Herr Hähnlein, wir müssen doch erst einmal in Ruhe über alles reden, bitte!«
»Das will ich doch gerade machen!«
»Nein, Herr Hähnlein, bitte nicht! Nicht jetzt, nicht hier! Wollen wir nicht lieber heute abend...?«
»Wann?«
»Nach Ladenschluß in meiner Wohnung, ja?«
»Kläuschen, Sie machen mich glücklich!« rief Herr Hähnlein begeistert aus. »Ist das Ihr Ernst?«
»Ja!« Liselotte nestelte an ihrem Schlüsselbund. »Hier, mein Wohnungsschlüssel! Falls Sie früher dort sind!«
Oskar Hähnlein war von soviel unverhofftem Entgegenkommen völlig verwirrt, er hielt den Schlüssel in der ausgestreckten Hand und stotterte: »Ich, ja, aber wenn...«
»Ich habe noch einen zweiten Schlüssel, Oskar!« erklärte Liselotte lächelnd.
Oskar Hähnlein war überwältigt. »Oh, mein Kläuschen!« rief er und wollte sie stürmisch in seine Arme reißen, aber sie entwand sich ihm behende.
»Bis heute abend, Oskar«, tröstete sie ihn verheißungsvoll, und damit lief sie in den Laden hinaus, um Anna beim Einsortieren der frisch angekommenen Blumen zu helfen.
XX
Gleich nach dem bescheidenen Mittagessen, das Gabriele und Hein Grotius noch friedlich und fröhlich gemeinsam eingenommen hatten, war es zum ersten Krach zwischen ihnen gekommen. Hein Grotius erwartete am Nachmittag einen Besuch und versuchte, Gabriele zu überreden,
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