Mit einem Fuß im Himmel
tun.
Hein Grotius eilte zum Telefon, wählte Köln und dann die Nummer des Funkhauses. Er ließ sich mit Herrn Brauer verbinden.
»Herr Brauer, ja, ich bin’s, Hein Grotius!« sagte er aufgeregt. »Nein, nicht deshalb! Passen Sie auf! Ist zu Ihnen vielleicht eine junge Dame gekommen, sehr jung, sehr hübsch, große braune Augen, eine junge Dame, die Vorsingen wollte? Ja, das ist sie, das muß sie sein! Stimmt, zur Mikrofonprobe für gestern bestellt! Ja, ja, ja! Wo ist sie jetzt? Wahrhaftig, also hören Sie mal... das ist ja toll! Bitte, aber da bin ich ganz unschuldig dran, wirklich! Tut mir leid! Hören Sie mal, Herr Brauer... ja? Halten Sie das Mädchen doch bitte fest, wenn sie rauskommt!«
»Das ist wirklich zuviel verlangt!« erwiderte Herr Brauer entsetzt. »Ich werde heilfroh sein, wenn ich sie los bin!« Und damit hängte er den Hörer ein.
Hein Grotius aber stürzte aus der Wohnung, warf sich in sein Auto und brauste davon. Richtung Bahnhof.
Gabriele hatte das Gefühl, glänzend bei Stimme zu sein, das Mikrofon, der ganze Raum, die Atmosphäre des Funkhauses wirkten außerordentlich anregend auf sie, sie sah sich schon als wirklich groß arrivierte Sängerin.
»Nun? Was sagen Sie?« drang sie in Herrn Riemann, als sie ihr Lied beendet hatte. »Wie gefällt Ihnen meine Stimme?«
»Hm... nicht einmal schlecht!«
»Nicht einmal schlecht?«
»Wirklich, es würde sich lohnen, wenn Sie Gesangsunterricht nähmen!«
Gabriele starrte Herrn Riemann entgeistert an.
»Tonmeister!« rief Herr Riemann — denn Gabriele hatte es wahrhaftig noch fertig gebracht, den Tonmeister dazu zu bewegen, ihre Stimme auf Band zu nehmen — »Tonmeister! Seien Sie doch so nett, spielen Sie uns das Ganze noch mal vor!«
»Moment, Herr Riemann!« — Ein paar Geräusche aus der Tonkabine, und dann lief das Band mit Gabrieles Gesang ab — eine schwankende, unausgeglichene, manchmal geradezu abrutschende Stimme mit einer exakten netten Klavierbegleitung.
»Nein!« rief Gabriele. »Abstellen, bitte! Das bin ich doch nicht, das kann doch nicht sein!« Sie hielt sich die Ohren zu.
»Gutes Stimmaterial, ganz bestimmt!« versicherte Herr Riemann kennerisch. »Auch nicht unmusikalisch, ohne Frage!«
»Aber, das ist doch nicht Ihr Ernst! Das soll meine Stimme sein?«
»Das ist sie!«
»Nein, nein, nein! Sie erlauben sich einen Scherz mit mir!«
»Sie haben Ihre Stimme wohl noch nie gehört?«
»Doch, natürlich, immer, wenn ich singe!«
»Das ist etwas ganz anderes! Hören Sie es sich ruhig nochmals an... so klingt Ihre Stimme objektiv. So klingt sie in den Ohren anderer!«
Wieder lief das Tonband ab, und diesmal hielt sich Gabriele nicht die Ohren zu, sie versuchte, aufmerksam zu lauschen, aber ohne daß sie es wußte, liefen ihr dabei die Tränen über die Wangen.
»So etwas Scheußliches habe ich noch nie gehört!« erklärte sie endlich mit bebender Stimme.
»Na, na, nur nicht übertreiben! Ganz nette Stimme, nicht wahr, Tonmeister?«
»Gewiß doch. Könnte schlimmer sein.
»Na sehen Sie! Also, Kopf hoch! Sie möchten wohl gerne Sängerin werden?“
»Ja! Und ich dachte... ich dachte, daß ich auftreten könnte.«
»Da haben Sie sich einen schönen Floh ins Ohr gesetzt!«
»Ich... es ist mir so peinlich.«
»Gar keine Ursache, das dürfen Sie mir glauben! Ihre Stimme ist ganz in Ordnung, Sie müssen sie nur schulen, Gesangsunterricht nehmen, verstehen Sie? Dann wird’s schon werden!«
»Meinen Sie? Wirklich? Ich komme mir so verrückt vor!«
»So kamen Sie mir anfangs auch vor, aber glücklicherweise habe ich mich getäuscht. Sehen Sie, wenn Sie wirklich verrückt wären, dann hätten Sie Ihre Stimme auf dem Tonband auch noch herrlich gefunden...«
»Aber... da müßte ich nicht nur verrückt, da müßte ich taub sein!«
»Gibt auch solche Fälle, haben wir alles schon erlebt! Und nun putzen Sie sich mal hübsch das Näschen, Kopf hoch, und in einem halben Jahr sprechen wir uns mal wieder, ja?«
»Sie meinen, ich sollte...?«
»Natürlich sollen Sie! Wäre ein Jammer um das gute Material, wenn Sie es verludern ließen.«
»Ach, das ist gut!« Gaby war schon wieder halbwegs getröstet. »Aber wer gibt einem denn Unterricht? Bitte, Herr Riemann... bloß einen Augenblick noch, bitte, geben Sie mir doch einen Tip!«
»Wo wohnen Sie denn?«
»Düsseldorf.«
»Düsseldorf? Da weiß ich eine! Haben Sie was zum Schreiben da? Na also!« Und Herr Riemann diktierte Gabriele die Adresse einer Düsseldorfer
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