Mit einer Prise Glück und Liebe
Bett das bequemste, das sie jemals hatte, soweit sie sich erinnern kann. Vielleicht sogar noch bequemer als das in Deutschland, als ihre Eltern noch zusammen waren und Mom und Dad abwechselnd in ihrer Wohnung gekocht haben. Damals war ihre Mutter noch glücklich gewesen, aber dann war sie in den Irak gegangen und als ein vollkommen anderer Mensch zurückgekehrt.
Als ihre Eltern in den Irak geschickt worden waren, hatte Katie zu ihrer Oma ziehen müssen, die nach Kohl roch, ständig in die Kirche rannte und gemeine Sachen über Katies Mutter sagte, weil sie sie offenbar nicht leiden konnte. Einmal musste Katie deswegen weinen, danach verkniff sich ihre Großmutter die Sticheleien, aber Katie wusste, dass sie trotzdem noch genauso über sie dachte.
Eingehüllt in die herrlich duftende Bettwäsche, gestattet sich Katie, tief Luft zu holen und ihre Augen für eine Weile zu schließen. Draußen vor den Fenstern zwitschert ein Vogel ( Trillert , denkt sie und verfasst im Geiste eine weitere Nachricht an Madison). Zuletzt hatte sie in einem Haus gewohnt, dem einzigen Einfamilienhaus inmitten von zahllosen Wohnblocks, wo ständig irgendjemand herumzuschreien oder laute Musik zu hören schien.
Hier ist es gut. Sehr, sehr gut.
Aber gewöhn dich bloß nicht dran.
Sie zwingt sich, aus dem kuscheligen Bett aufzustehen, und tappt barfuß in T-Shirt und Höschen zum Fenster. Unten sieht sie Ramona, deren rotes Haar zu einem Zopf im Nacken frisiert ist, der ihr beinahe bis zum Hinterteil reicht. Katie hat noch nie eine erwachsene Frau mit so langen Haaren gesehen. Auf der Bank sitzt eine alte Frau, die eine Katze streichelt.
Der Garten sieht sehr nett aus, aber Katies einziger Gedanke ist, ob sie sich wohl in die Küche schleichen und ihrer Mutter eine Mail schreiben kann, bevor Ramona wieder hereinkommt. Sie putzt sich die Zähne und wäscht sich das Gesicht. Ihr Dad hat früher jeden Morgen Liegestütze gemacht, und Katie hat häufig mitgemacht, aber in letzter Zeit sind ihre Arme immer so zittrig, deshalb schafft sie es nicht mehr.
Ihre Sachen liegen frisch gewaschen und ordentlich zusammengelegt auf einem Stuhl neben der Tür. Katie vergräbt die Nase im Stoff und saugt tief den Duft nach Waschpulver ein. Ihr kommen beinahe die Tränen, aber sie schluckt hastig dagegen an.
Obenauf liegt ihr hellbrauner Lieblingspulli mit den schmalen grünen Streifen, den sie über ihr T-Shirt zieht, ehe sie in ihre Jeans schlüpft, die ihr ein bisschen zu kurz sind. Barfuß tappt sie die Treppe hinunter und lauscht, welche Stufen knarzen. Weit und breit ist niemand zu sehen.
In der Küche steht eine Schale mit Äpfeln und Orangen. Katie nimmt sich einen Apfel und beißt gierig hinein. Er ist so saftig, dass sie sich ein Rinnsal vom Kinn wischen muss. Sie legt ihn beiseite, damit nichts auf die Tastatur tropft. In der Schule mussten sie immer die Hände waschen, bevor sie sich an den Computer setzen durften.
Katie öffnet ihren Account, den Ramona für sie eingerichtet hat, und kreuzt die Finger. Bitte, bitte, sei da. Sei da.
Nichts. Kein Wort von Madison. Andererseits hat Katie auch nicht damit gerechnet. Vielleicht könnte Madison ja den Computer von jemand anderem im Haus benutzen, aber vor dem Wochenende wird bestimmt nichts daraus. Wahrscheinlich bekommen sie erst einen neuen Laptop, wenn Madisons Vater wieder in den Irak geschickt wird. Das bedeutet, dass die Mädchen sich Briefe mit der Post schicken müssen, so wie früher.
Und auch von Katies Mom ist nichts im Posteingang. Obwohl Katie klar ist, dass es noch zu früh ist – höchstwahrscheinlich befindet sich ihre Mutter noch im Entzug, wo die Leute viel zu fertig sind, um sich an den Computer zu setzen –, ist sie enttäuscht.
Das Schlimmste ist, dass sie nichts von ihrem Dad gehört hat. Sonst schreibt er ihr fast jede Woche, aber die letzte Mail liegt schon eine ganze Weile zurück. Andererseits ist sie in letzter Zeit noch nicht mal in die Nähe eines Computers gekommen.
Beim Anblick ihres leeren Posteingangs schneidet sich ein brennender Schmerz durch ihr Herz. Sie greift nach dem Apfel und beißt hinein, während sie sich fest vornimmt, die nächsten fünf Stunden nicht an ihn zu denken. Einfach so zu tun, als wäre alles wie immer. In einem Buch hat sie gelesen, dass das, was man sich vorstellt, auch wahr wird, und das macht ihr Angst. Was, wenn er tatsächlich stirbt, nur weil sie sich solche Sorgen um ihn macht?
Also wird sie lieber daran denken, dass es ihm
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