Mit einer Prise Glück und Liebe
hat. »Sein Laster wurde vor vier Tagen von einem Sprengsatz getroffen. Er ist schwer verletzt. Verbrennungen.«
Ich werde wohl nie den Ausdruck in ihren blauen Augen vergessen, die im hellen Sonnenschein auf mich gerichtet sind. Noch als alte Frau werde ich mich ganz genau an diesen Tag erinnern – wie meine Tochter in der Backstube steht und mich mit einer Mischung aus Entsetzen und Hoffnung ansieht, während ich dastehe, vollkommen hilflos und unfähig, irgendetwas zu tun.
»Ich muss zu ihm«, sagt sie.
»Natürlich.«
Wie schwer sind die Verbrennungen? , denke ich.
Sie dreht sich um, sieht sich um, als würde irgendwo eine Liste liegen, auf der steht, was sie als Nächstes zu tun hat. Was das angeht, ist sie wie meine Mutter – auch sie will, dass immer alles geregelt ist. »Ich sollte wohl packen.«
»Ich lege nur noch den Teig in eine Schüssel, dann helfe ich dir.«
Unvermittelt lässt sie sich auf den Stuhl sinken, als bestünden ihre Beine aus Teig. »Was glaubst du, wie lange ich dort bleiben muss? Was wird aus dem Baby?«
»Nur die Ruhe, Sofia. Eines nach dem anderen. Ich bin sicher, das wird sich bald klären. Du solltest dich jetzt darauf konzentrieren, so schnell wie möglich zu ihm zu fliegen und zu sehen … wie … was los ist.«
»Stimmt.« Sie nickt. Legt sich eine Hand auf die Brust. »Mom. Was wird jetzt aus Katie? Dort, wo sie jetzt ist, kann sie nicht bleiben.«
Eine Dreizehnjährige, deren Mutter im Gefängnis sitzt, deren Vater verwundet in einem Militärkrankenhaus liegt und deren Stiefmutter ein Baby erwartet und auf dem Weg nach Deutschland ist, soll nun bei einer Frau bleiben, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen hat. »Aber sie kennt mich noch nicht einmal. Glaubst du nicht, dass sie wahnsinnige Angst hat, wenn ich sie zu mir hole?«
»Am Anfang vielleicht, aber ich kann sie unmöglich ins Heim geben. Sie kann doch herkommen. Nur über den Sommer. Oma wird dir helfen, ganz sicher, und Onkel Ryan und …«
Ich hebe die Hand. Die Antwort ist klar. »Natürlich, Schatz. Buchen wir gleich einen Flug für sie mit, damit du dir ihretwegen keine Gedanken mehr zu machen brauchst.«
Sie springt auf und fällt mir um den Hals. Ihr dicker Bauch drückt sich gegen meine Hüfte. Erst als ich die Arme um sie lege, spüre ich, wie heftig ihre Schultern zucken. Ich kneife die Augen zusammen, streichle ihren Rücken und wünschte, ich könnte sie beruhigen, dass alles wieder gut wird. »Tu, was du kannst, Sofia. Mehr verlangt niemand von dir.«
Ihre Arme legen sich wie ein Schraubstock um meinen Nacken. Ich spüre ihre heißen Tränen, die durch den Stoff meiner Bluse dringen. »Danke.«
ZWEI
Ramona
G emeinsam treffen wir die Vorkehrungen für Katies Umzug nach Colorado Springs, dann packen wir Sofias Sachen, und ich fahre sie nach Fort Carson. Dort wird sie von einer Handvoll Frauen – Ehefrauen von Oscars Kameraden – in Empfang genommen, die sie auf dem Flug zu ihrem Mann begleiten werden. Kerzengerade und kreidebleich steht sie da, während die gut gekleideten Frauen sie in ihrer Mitte aufnehmen. Frauen, die ich mein ganzes Leben lang in den Lokalnachrichten gesehen habe, wie sie Spenden sammeln, ihre Männer unterstützen, beim Gedenkgottesdienst in der ersten Reihe der Kirche sitzen, vor den aufgereihten Stiefeln und Fotos. Die Militärbasis ist sehr groß, deshalb haben hier in den vergangenen Jahren schon viele Gedenkgottesdienste stattgefunden.
»Bitte passen Sie gut auf sie auf«, sage ich und spüre zu meinem Entsetzen, wie mir die Tränen in die Augen steigen.
Eine der Frauen merkt es und nimmt mich in den Arm. »Das werden wir. Versprochen. Sie ruft sie an, sobald sie kann.«
Ich will genauso tapfer sein wie meine Tochter. Deshalb wende ich mich ab und gehe zum Wagen. »Mom!«, ruft Sofia.
Als ich mich noch einmal umdrehe, legt sie die Fingerspitzen an die Lippen, küsst sie und hält ihre Hand in meine Richtung. »Ich liebe dich!«
Ich werfe ihr ebenfalls eine Kusshand zu, dann fahre ich nach Hause und versuche, mich darauf zu konzentrieren, das Haus für Katies Ankunft morgen vorzubereiten. Das Zimmer muss gelüftet, das Bett frisch bezogen werden – wenn ich die Laken heute Abend noch wasche, kann ich sie gleich morgen früh aufhängen, damit sie diesen herrlich heimeligen Geruch haben.
Doch als ich vor dem alten Haus vorfahre, das meine Bäckerei und die zweigeschossige Wohnung darüber beherbergt, fällt mein Blick auf einen See in meinem Vorgarten.
Keine
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