Mit einer Prise Glück und Liebe
Schuhe, die er so liebt. Im kalten Licht der Küchenlampe ist ihm das Alter an den Augenwinkeln deutlich anzusehen.
Ich stelle einen blau-weißen Porzellanteller – er gehört zu dem Service, das ich von meiner Großmutter geerbt habe – mit pain au chocolat vor ihm auf den Tisch und lege eine blütenweiße Serviette daneben. Er liebt diese Details. Für ihn sind sie der Inbegriff europäischer Eleganz. »Wunderbar«, murmelt er.
Den Espresso bereite ich auf dem Herd zu, in einer kleinen Kanne, nicht in der Maschine. Das Kännchen gehörte ebenfalls einst meiner Großmutter, und obwohl die Espressozubereitung eine Kunst ist, habe ich sie Cat zuliebe erlernt. Während ich warte, bis das Wasser kocht, versuche ich zu überlegen, wie ich diese neue Krise überstehen soll, doch die Gedanken an Sofia überschatten alles. Ob sie schon im Flugzeug sitzt? Wie lange wird es wohl dauern, bis sie in Deutschland landet und ich Genaueres über Oscar erfahre?
Meine größte Angst ist, dass sie sie gerufen haben, damit sie sich von ihrem Ehemann verabschieden kann. Inzwischen werden die Soldaten meist im Rekordtempo durch Deutschland geschleust.
Ich massiere den Knoten in der Mitte meiner Brust und schalte die Herdplatte ab. Anschließend gieße ich den Espresso in zwei kleine Tassen und setze mich zu Cat.
»Vielleicht ist es an der Zeit, mich von der Bäckerei zu verabschieden«, sage ich nach einer Weile.
»Nein, nein. Dein Geschäftsplan ist grundsolide, Ramona. Dieses Problem mit dem Rohr, das ist doch nichts. Ein Klacks.«
Ich starre in die tiefschwarze Flüssigkeit und schüttle den Kopf. Die Wirtschaftskrise hat in dieser Gegend nicht ganz so gnadenlos zugeschlagen wie anderswo, trotzdem ist sie deutlich spürbar. Meine Umsätze gehen immer weiter und weiter zurück, vom Wertverlust des Hauses ganz zu schweigen. Heutzutage gibt niemand einem Kleinunternehmer noch Kredit. Aber ohne eine Finanzspritze stehe ich vor der Pleite.
»Ich brauche einen Moment lang dein Ohr als Mentor. Kriegst du das hin?«
»Das weißt du doch.«
»Wenn ich jetzt aufgebe, kann ich wenigstens das Haus retten – und du weißt, dass mir meine Familie nie verzeihen würde, wenn ich es verliere. Wir sind praktisch hier aufgewachsen.«
»Deine Familie«, sagt er und schüttelt den Kopf. »Was haben sie denn schon für dich getan? Weshalb solltest du dir Sorgen darüber machen, was sie über dich denken?«
»Ich könnte es mir selbst nie verzeihen, Cat. Dieses Haus hat meiner Großmutter gehört. Sie hat es mir hinterlassen, weil sie an mich geglaubt hat.«
»Aber du wirst das Haus nicht verlieren. Du schaffst das schon.«
Bestimmt gibt es eine Lösung, doch die jüngsten Katastrophen blockieren mich derart, dass ich den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen kann. »Ich hoffe nur, dass du Recht hast.« Ich nippe an meinem Kaffee und denke an die vielen Dinge, die ich noch erledigen muss. »Ich habe noch eine Menge zu tun. Ich danke dir, dass du vorbeigekommen bist, aber jetzt muss ich mich beeilen.«
Genüsslich schiebt er sich den letzten Bissen pain au chocolat in den Mund, wischt sich die Hände an der Serviette ab und mustert mich einen Moment lang schweigend. Es heißt, er sei einst in meine Mutter verliebt gewesen, doch dann sei mein Vater aufgetaucht, in den sie sich unsterblich verliebt und ihn anstelle von Cat geheiratet habe. Daraufhin eröffnete Cat ein Restaurant, um meinen Vater auszustechen. Seit Jahrzehnten rangeln sie um ihre gesellschaftliche Stellung in der Stadt. Wenn ich mir meinen Vater heute, mit seiner stämmigen Statur und den strahlend blauen Paul-Newman-Augen, ansehe, kann ich mir durchaus vorstellen, dass er einmal ein gut aussehender Mann war, doch es ist mir ein Rätsel, wie er Cat in den Schatten stellen konnte.
Die beiden sind erbitterte Feinde, und es machte mir geradezu diebische Freude, mir Cat als Mentor auszusuchen, als ich dem Familienunternehmen den Rücken kehrte. Allerdings beschämt es mich, dass ich ihn für eine Weile in mein Bett gelassen habe, und obwohl ich unsere Affäre vor mehr als einem Jahr beendet habe, gibt er die Hoffnung nicht auf.
Ich sehe es in seinen Augen, dass er mir auch heute Abend das Angebot machen wird, unsere Beziehung wieder aufleben zu lassen. Und in gewisser Weise wäre es eine Wohltat. Eine Gelegenheit, loszulassen, jemandem zu erlauben, mich in den Arm zu nehmen, jemand anderem die Verantwortung für alles zu übertragen.
Aber ich hebe müde die Hand. »Du musst jetzt
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