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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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grinsend ein Beutelchen mit Honigpastillen in die Hand. »Das wird dir die Kraft dazu geben!«

6. Kapitel
    A lyss hatte keine gute Nacht gehabt. Zuerst hatte sie vor dem kleinen Eckaltar gekniet und versucht, für Arndts Seele zu beten. Aber es kamen ihr nur auswendig gelernte Worte über die Lippen, sie selbst fühlte sich seltsam unbeteiligt. Anschließend ging sie zu Bett, und das leise Klicken der Hundetatzen zeigte ihr, dass der Spitz wieder ihre Gesellschaft suchte. Eigentlich hatte er sich mit Leib und Seele Frieder verschrieben, der ihn einst gerettet hatte, aber da der Junge nun auf Reisen war, schien sie dessen Platz in seinem Hundeherzen eingenommen zu haben. Er legte sich an das Fußende ihres Bettes und begann, ganz wie ein scharfer Wachhund, zu schnarchen.
    Gewöhnlich nickte Alyss über diesen Geräusche ein, doch diesmal wollte der Schlaf nicht kommen. Die Ereignisse des Tages forderten ihren Tribut. Fragen tauchten auf, auf die sie keine Antwort fand, Erinnerungen, schmerzliche Bilder von einem kleinen Jungen drückten auf ihr Gemüt, sie sah sich selbst, glücklich mit der goldenen Brautkrone auf dem Haupt, zur Kirche schreiten …
    Jetzt war sie zur Witwe geworden.
    Witwe.
    Das Wort riss sie aus den Kissen.
    Witwe.
    Sie hatte seit Monaten mit Billigung ihrer Familie und mit Magister Jakobs Unterstützung einen Weg gesucht, ihre Ehe mit Arndt van Doorne aufzulösen.
    Nun war das Band gerissen.
    Doch um welchen Preis?
    Hatte sie es sich zu sehr gewünscht?
    Vorsichtig, um Benefiz nicht zu wecken, stand sie auf. Der schwanzlose Spitz jaunerte im Schlaf. Sie fuhr ihm sanft über das Fell.
    »Ich komme wieder. Ich muss nur ein bisschen an die Luft.«
    Sie schlug sich ein dickes Wolltuch um die Schultern und schlich, die Pantinen in der Hand, die Stiege nach unten. Leise trat sie durch die Küchentür in den Hof.
    Mondlos war die Nacht, kühl und ein wenig klamm lag die Luft in dem dunklen Geviert. Sie wanderte über das Pflaster, schaute in den Verschlag, der Jerkin, den Falken, behauste. Der Vogel hatte seinen Kopf in das Gefieder gesteckt und rührte sich nicht. Alyss setzte sich neben dem Verschlag auf ein leeres Weinfass und schaute in den Sternenhimmel.
    Vielleicht würde der Uhu wieder über die Dächer schweben und sich auf ihren Arm setzen. Doch eigentlich fürchtete sie das majestätische Tier, denn bisher hatte er sie immer vor einem drohenden Unheil gewarnt. Sie lauschte auf sein langgezogenes »Uhuuu«, doch die Nacht war still.
    Oder?
    »Üüüü!«, klagte es irgendwo. »Ü…üüü!«
    Alyss wandte ihren Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Und schon sah sie vor dem Hintergrund des sternenflimmernden Nachthimmels ei nen Vogel gleiten. Langsam stand sie auf und blickte zu ihm hoch. Noch langsamer streckte sie den Arm aus und flüsterte: »Kleiner Freund, besuchst du mich?«
    Das Käuzchen zog eine zögernde Schleife um sie, dann landete es flatternd auf ihrer Hand. Klein war der Geselle, eben eine Handspanne groß. Seine runden Augen wurden von den Federkränzen um sie herum noch betont, und seine befiederten Füße krallten sich fest in ihre Finger. Ruckartig ging sein Kopf hin und her. Dann machte er den Schnabel auf und sah Alyss verlangend an. Sie musste lächeln.
    »Bettelst du etwa um Futter?«
    Das Käuzchen zwinkerte.
    Vorsichtig griff sie in den Futterbeutel, der an Jerkins Verschlag hing, und ertastete ein Stückchen Fleisch.
    Mit einem Schnapp verschlang der Vogel den Happen und klapperte dann mit dem Schnabel.
    »Du bist ja ein lustiger Geselle«, wisperte Alyss, und er flatterte, als hätte er sie verstanden. Dann aber blickten seine Augen unruhig, und sie warf ihn mit einer geschickten Bewegung aus dem Handgelenk in die Luft. Das Käuzchen stieg auf, ließ noch einmal sein »Üüüü!« ertönen und flog über das Stalldach davon.
    »Nun, mag ja sein, dass Käuze den Tod künden, Kleiner, aber du schienst mir eine andere Botschaft zu bringen. Doch welche, mein Freund, muss ich wohl noch herausfinden.«
    Malefiz, schwarz wie die Nacht, strich ihr am Bein entlang. Sie folgte seinem schwindenden Schemen bis zum Tor, das in den Weingarten führte.
    »Lass mir ja das Käuzchen in Ruhe, du Satansbraten«, murmelte sie ihm hinterher und wandte sich dem Haus zu.
    Diesmal kam der Schlaf zu ihr, wenn auch ihre Träume wirr und beklemmend waren.
    Der Morgen traf sie müde und wenig erholt an. Der erste Gedanke, der sie nach dem Erwachen anflog, galt wiederum ihrem

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