Mit falschem Stolz
noch. Magister Jakob ist krank. Er wollte mich nicht zu sich lassen, will aber mit dir sprechen, Bruder Heiler.«
»Was hat er?«
Alyss schnaubte: »Die Kränk, wie sein Hausweib sagt.«
»Das kann vieles sein. Ich suche ihn auf.«
5. Kapitel
M agister Jakob lag im Bett, grauer noch als sonst, und der Gestank des Bettstuhls verpestete die Luft in der Kammer. Marian riss das Fenster auf, ohne auf die Proteste der Haushälterin zu achten, die die frische Luft für schädigend hielt.
»Unsinn. Hier kann man ja kaum atmen. Leert das Nachtgeschirr, und wascht es gründlich aus, Weib. Und dann wechselt die Laken.«
Mürrisch folgte die Haushälterin diesem Befehl.
»Sie ist nicht unwillig, aber es ekelt sie«, murmelte der Notarius schwach.
»Ich muss nicht fragen, was Euch fehlt. Was habt Ihr gegessen, Magister Jakob, dass Euer Gedärm solch einen Aufstand treibt?«
»Nichts, was nicht andere auch zu sich genommen hätten.«
»Und die sind noch gesund?«
»Keine Ahnung. Seit zwei Tagen kann ich das Haus nicht mehr verlassen.«
»Gestattet Ihr, dass ich Euch untersuche?«
»Besser Ihr als ein Medicus«, sagte der Magister noch tonloser, als es gewöhnlich seine Art war. Vorsichtig tastete Marian seinen Leib ab und stellte einige Fragen.
»Könnte die Ruhr sein. Die schmerzhaften Krämpfe, der Durchfall, Appetitlosigkeit, Kopfschmerz. Habt Ihr Brunnenwasser getrunken, Magister Jakob?«
Er schüttelte schwach den Kopf.
Die Haushälterin kam wieder hereingeschlurft. Wenn sie auch kein angenehmes Weib war, so schien sie doch reinlich. Das Nachtgeschirr war sauber, sie hatte frisch gewaschene Laken dabei und einen Korb mit Brot und Braten.
»Der Patient sollte derzeit nur flüssige Nahrung zu sich nehmen, gute Frau. Seid Ihr in der Lage, eine kräftige Fleischbrühe zu kochen?«
»Sischer dat!«
»Und Traubensaft könnte ebenfalls hilfreich sein.«
»Is jut!«
Sie nahm den Brotkorb wieder mit, und als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, fragte Magister Jakob: »Was wollte Eure Schwester von mir?«
»Einen Rat, aber sie hat die Angelegenheit selbst in die Hand genommen. Ich werde Euch ein Mittel gegen die Krämpfe schicken lassen, Magister Jakob. Lasst das Fenster offen, und wenn Alyss das nächste Mal vorbeikommt, gewährt ihr Einlass.«
»Es ist nicht recht …«
»Versucht, sie davon abzuhalten.«
Magister Jakob wollte widersprechen, doch ein heftiger Krampf raubte ihm die Worte.
Die Abenddämmerung verdunkelte schon die schmalen Gassen, als Marian sich auf den Weg zu seiner Schwester machte. Es gab noch einiges zu besprechen. Und auch glaubte er nicht, dass die Nachricht von Arndts Tod sie so gänzlich unberührt lassen würde. Der Mann war ein hinterhältiger Geselle, ein Lügner und Betrüger gewesen, aber einst hatte er sich um sie beide gekümmert, damals, als Köln sich im Aufruhr um den Verbundbrief befand. Er hatte ihnen geholfen, nach Burgund zu ihrer Tante Aziza zu reisen, wo sie die unruhigen Jahre in Sicherheit verbrachten. Nicht ohne Hintergedanken hatte er dies getan, so beurteilte Marian es aus jetziger Sicht. Arndt van Doorne war ein Geschäftemacher gewesen, und den Ratsherrn und Patrizier Ivo vom Spiegel sich zu Dank zu verpflichten, war verlockend. Weshalb ja Marians Vater dann Arndts Ehe mit Alyss zugestimmt hatte. Sie war in den ersten Jahren auch glücklich mit ihm gewesen, zumal sie schon bald den kleinen Terricus zur Welt gebracht hatte. Ein launiges Kerlchen, aufgeweckt und munter – und doch starb er, noch nicht drei Jahre alt, weil die verdammte Amme pflichtvergessen gewesen war.
Danach war es auch in der Ehe immer unglücklicher geworden, Alyss trauerte, Arndt suchte Trost bei anderen Weibern. Und verschwendete das Geld – nicht nur das aus seinem Weinhandel, sondern auch Alyss’ Mitgift. Außerdem hatte er sich in betrügerische Machenschaften verwickelt und schließlich sogar die kostbare Brautkrone gestohlen und verkauft. Alyss hatte mit Magister Jakobs Hilfe Brautschatzfreiung beantragt und erhalten und war damit nicht mehr gezwungen, die Schulden ihres liederlichen Gatten zu bezahlen. Der war darob derart ungehalten gewesen, dass er sie verprügelt hatte – nicht zum ersten, jedoch zum letzten Mal. Denn schließlich hatte ihr Vater eingesehen, dass er sich in dem Mann geirrt hatte, und ihn mit einer dramatischen Geste der Stadt verwiesen. Das alles war im Frühjahr geschehen. Warum Arndt nun doch wieder in Köln aufgetaucht war, darüber musste man sich
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