Mit falschem Stolz
Gedanken machen.
Das hungrige Hauswesen war um den Küchentisch versammelt. Kaum hatte Marian sich auf die Bank neben Alyss gesetzt, stand auch schon eine Schüssel mit einem deftigen Ragout vor ihm, und Tilo goss ihm einen Becher Apfelwein ein.
»Wie geht es dem Magister?«
»Übel. Er hat den Durchlauf, und seine borstige Haushälterin weiß ihn nicht zu pflegen.«
»Ich werde mir Einlass erzwingen und mich um ihn kümmern.«
»Erzwingen brauchst du ihn nicht, er ist bereit, meinen Anordnungen zu folgen.«
Marian brach sich ein Stück knuspriges Brot ab und löffelte mit Genuss seine Schüssel leer.
»Frau Alyss?«
Lauryn schob ihre leere Schale beiseite.
Marian sah auf.
»Du hast es ihnen noch nicht gesagt?«
»Nein. Aber ich sollte es jetzt wohl tun.«
»Ja, Schwesterlieb, denn es ist von Wichtigkeit.«
Alyss seufzte.
Dann berichtete sie von dem Mord, und entsetztes Schweigen lastete über der Küche. Hilda bekreuzigte sich, Leocadie murmelte ein leises Gebet, Hedwigis biss sich auf die Lippen, Lauryn jedoch stand auf und legte ihren Arm um Alyss’ Schultern.
»Er war ein harter, ungerechter Mann. Aber Mord …«
»Nein, der Tod sollte ihn nicht auf diese Weise ereilen«, sagte Marian. »Noch weniger aber dürfen Unbeteiligte als seine Mörder verurteilt werden. Wir brauchen eure Hilfe, um ihre Unschuld zu beweisen.«
»Was Ihr am einfachsten tut, wenn man den wirklichen Mörder fasst«, grollte Hilda.
»Hat irgendjemand von euch eine Idee, warum Arndt van Doorne sich in Köln aufhielt?«, fragte Marian in die Runde.
»Um Frau Alyss lästig zu fallen?«, schlug Hedwigis vor.
»Um krumme Geschäfte zu machen«, lautete Tilos Erklärung.
»Letzteres mit Gewissheit. Aber mit wem?«
»Ich werde meinen Vater fragen.«
Es klang bedrückt aus Tilos Mund: Im vorigen Jahr hatte Reinaldus Pauli sich in Schmuggelgeschäfte mit Arndt verstrickt. Doch Marian war zuversichtlich, dass sein Onkel aus deren Folgen eine bittere Lehre gezogen hatte und nicht weiter mit van Doorne Handel trieb.
»Frag deinen Vater, Tilo, aber unterstelle ihm nichts Böses. Arndt wird sich mit jemand anderem getroffen haben, den er kannte. Mag sein, dass dieser seine Betrügereien entdeckt und ihn daraufhin im Streit erstochen hat.«
»Warum aber war Mats bei ihm?«, fragte Lauryn in die Runde.
»Vielleicht war er unseligerweise Zeuge der Auseinandersetzung. Der Mörder schlug ihn besinnungslos und hinterließ das blutige Messer in seiner Hand.«
»Gislindis sollte mit ihm sprechen«, meinte Leocadie. »Sie versteht ihren Vater doch und kann dem Turmvogt erklären, wieso er dort war.«
»Ich habe ihr geraten, nicht zum Turm zu gehen«, sagte Marian. »Die Tröpfe dort würden sie möglicherweise gleich dabehalten. Ich hoffe, sie hört auf meinen Rat«, setzte er hinzu.
»Warum sollte sie nicht, Bruder mein? Ich glaubte, du besäßest ihr Vertrauen.«
Er zuckte mit den Schultern.
»Sie gibt sich sehr zurückhaltend.«
»Hast du sie bedrängt?«
»Nein, ich doch nicht.«
Hilda mischte sich ein, die Arme in die Hüften gestemmt: »Die Schlyfferstochter wird einen eifersüchtigen Liebsten haben, Herr Marian.«
»Sie ist ein anständiges Mädchen.«
»Pfff. Sie tanzt und singt auf dem Markt und schwenkt ihre Röcke. Und sie hat einen kecken Blick. Das zieht die Laffen an.«
»Hilda, mäßige dich. Gislindis ist von heiterem Gemüt, aber nicht leichtlebig«, sagte Alyss. »Marian, ich werde morgen mit ihr reden. Sie sieht und hört viel. Vielleicht weiß sie, wann oder warum Arndt hergekommen ist.«
»Danke, Schwesterlieb.«
»Mir kommt noch ein Gedanke, Marian. Mats wirkte benommen, und es lag Bierdunst um ihn. Ich weiß nicht, ich halte ihn nicht für einen Trunkenbold. Was hältst du davon, mit Trine zu ihm zu gehen?«
»Um zu schnüffeln. Sehr gut. Es könnte sein, dass man ihm etwas in den Trank gegeben hat, das ihn benebelte.«
»Merten – vielleicht hat der seinen Vater getroffen«, meinte Hedwigis plötzlich.
Tilo schüttelte den Kopf. »Glaub ich nicht. Er hat heute Morgen gesagt, er hat keine Nachrichten von ihm.«
Man stellte noch etliche Mutmaßungen an, aber als die Glocken zur Komplet läuteten, verabschiedete Marian sich.
Als er am nächsten Tag gerade nach Sonnenaufgang an der Apothekentür klopfte, öffnete ihm Meister Jan mit einem Gähnen.
»Leidest du unter Schlaflosigkeit, Marian?«, wurde er begrüßt.
»Krampfhafte Bettflucht. Ist dein hübsches Weib schon wach?«
»Die ist auch so
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