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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ich Hermanus kenne, wird er ordentlich schmutzige Wäsche gewaschen haben.«
    Hedwigis nickte und bot Marian einen süßen Wecken an.
    »Ich hab das früher auch getan, Herr Marian. Und das war sehr unrecht.«
    Das Mädchen sah wirklich betroffen aus, und er achtete sie für ihre Einsicht.
    »Ja, Hedwigis, das hast du. Aber wenn jemand seinen Fehler einsieht und ihn nicht wiederholt, dann ist er auf dem rechten Weg.«
    »Trotzdem, Herr Marian. Der Herr Merten war vorhin hier und wollte seine Aufträge mit Frau Alyss durchgehen. Und da haben wir es ihm erzählen müssen.«
    Das war keine besonders gute Nachricht, aber aus irgendeiner Quelle würde Merten es sowieso erfahren.
    »Er hat sich sehr geärgert, Herr Marian, und er hat gesagt, er will auch alles daransetzen, dass Frau Alyss freikommt.« Sie drückte ihre Finger auf die Wurzel ihrer langen Patriziernase und fügte ein bisschen verlegen hinzu: »Ich glaube, Herr Merten macht ihr den Hof.«
    Marian fuhr auf.
    »Bitte?«
    »Na ja, bei mir hat er es ja auch mal getan. Und er hatte ein Fläschchen mit Duftwasser dabei, das hat er ihr ins Kontor gestellt.«
    »Er ist ein wankelmütiger Geck, der seine Gunst wahllos verschenkt. Meine Schwester wird ihn in seine Schranken zu weisen wissen.«
    »Ja, das denke ich auch, Herr Marian. Wann kommt sie zurück?«
    »So bald wie möglich. Der Herr vom Spiegel ist heute Vormittag eingetroffen.«
    »Oh. Dann wird es wieder ein Donnerwetter geben.«
    »So der Allmächtige will.«

22. Kapitel
    I m Turmgelass wartete Alyss mit sorgenvollen Gedanken auf Gislindis’ Rückkehr. An diesem Vormittag hatte der Büttel die Schlyfferstochter zur Befragung geholt. Auf der einen Seite vertraute Alyss darauf, dass ihre Freunde auch ihr helfen würden, dass sie nicht der Willkür dieses erbsenhirnigen Schöffen ausgeliefert war, aber die Ungewissheit nagte dennoch an ihr. Magister Jakob hatte als Advocatus ihrer Familie seinen Einfluss geltend gemacht. Für Gislindis aber würde er möglicherweise nicht aus einer solchen Position heraus handeln können, denn es war ihr Vater, der des Mordes beschuldigt wurde. Unruhig und mit zerrauften Zöpfen lief sie in der kargen Kammer auf und ab. Die Handarbeit, die Frau Clara ihr gebracht hatte, eine komplizierte Bortenweberei, hatte sie liegen lassen; ihre Finger würden die Fäden doch nur heillos verknoten.
    Endlich aber öffnete sich die Tür, und mit gesenktem Haupt trat Gislindis ein. Als der Riegel von außen wieder vorgeschoben worden war, setzte sie sich auf den Schemel unter der schmalen Fensterluke und hob das Gesicht.
    Erleichtert atmete Alyss aus.
    Gislindis grinste.
    »Magister Jakob?«
    »Nein, Pater Henricus.« Und dann kicherte sie. »Ich wusste nicht, dass man mit heiligenmäßiger Sanftmut Idioten zähmen kann. Ob all die biblischen Worte, die der gute Pater zitiert hat, wirklich in diesem Buch stehen, kann ich nicht beurteilen, Alyss. Aber er war so voll der Gnade und predigte eine so wortreiche Nächstenliebe, dass der Overstoltz auch mir kaum eine Frage stellen konnte.«
    »Oh ja, darin ist er gut, unser Pater Henricus. Und damit verzeihe ich ihm auch all die vielen Male, bei denen er mir mit seiner weltfremden Güte die Geduld geraubt hat. Er glaubt aufrichtig das, was er sagt. Und damit ist er unanfechtbar.«
    »Der Schöffe wirkte ausgezehrt, als er schließlich die Befragung für beendet erklärte.«
    »Für seine unsterbliche Seele war sie sicher ein Heil. Und für dich?«
    »Eine Offenbarung. Ich habe mich an einen Endres erinnert.«
    Alyss setzte sich auf ihren Strohsack und sah sie begierig an.
    »Erzähl!«
    »Ich bin ihm ja bisher nicht von Angesicht zu Angesicht begegnet, und sein Name sagte mir wenig. Aber als ich sein Gesicht sah … Er ist älter und schwammiger als einst, aber die hellblonden Haare sind dieselben, auch die Augen … Ja, an den hellen, wässrigen Augen erkannte ich ihn. Oder vielleicht auch nicht?«
    Gislindis versenkte sich in die Linien ihrer eigenen Hand, als hätte sie daraus Bilder hervorzaubern können. Alyss wartete geduldig. Nach einer Weile sprach Gislindis weiter.
    »Als Ronya noch lebte, wohnten wir in einem Häuschen am Malzbüchel. Meine Mutter hatte eine gute Freundin dort, die Mutzenbäckerin Momke. Momke war eine liebe Frau, und ich bekam oft süßes Schmalzgebäck von ihr zugesteckt. Sie verachtete Mats nicht wegen seiner Sprache und Ronya nicht wegen ihrer Herkunft. Momke hatte einen Sohn, der sie hin und wieder besuchte. Er war

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