Mit falschem Stolz
habe sie mit ihren Zänkereien den Herrn Arndt aus dem Haus getrieben und selbst vor seinen Augen eine Buhlschaft mit einem englischen Tuchhändler begonnen.«
»Hermanus’ Pelz wird in Kürze von den Brouwers feilgeboten. Ich häute ihn mit eigener Hand.«
»Die Nachbarin in der Witschgasse hat zu Protokoll gegeben, dass im Haus van Doorne, wann immer der Herr anwesend war, großes Geschrei herrschte und dass Frau Alyss ihn gewaltsam aus ihrer Kammer geworfen habe.«
»Sie wird fauligen Kappes fressen!«
»Herr Merten hat ausgesagt, dass Arndt van Doorne, sein Stiefvater, Frau Alyss’ Mitgift verschwendet, ihre Brautkrone entwendet und verkauft und sie mehrmals geschlagen habe. Außerdem führe sie höchst gewissenhaft ihre Geschäfte und genieße bei allen Kunden einen guten Leumund.«
»Nanu!«
Marian mochte Merten nicht sonderlich. Er hielt ihn für einen Tagedieb, der auch vor kleinen Betrügereien nicht zurückschreckte. Ein verderbter junger Mann ohne Zucht und großem Ehrgefühl. John teilte diese Beurteilung, Alyss hingegen behandelte Merten mit einiger Nachsicht. Wie dem auch sei, hier hatte er sich erstmalig als nützlich erwiesen. Dennoch …
»Overstoltz scheint sich seine Zeugen gut auszuwählen. Es gibt nicht viele Menschen in der Stadt, die derartige Gehässigkeiten über meine Schwester auszusagen bereit sind. Weit mehr würden ihre Freundlichkeit und Lauterkeit anerkennen.«
»Wohl wahr.«
»Ist Euch aufgefallen, dass er kein einziges Mitglied ihres Hauswesens befragt hat?«
Magister Jakob nickte.
»Er hat eine theoria entworfen, der Overstoltz. Morgen wird er sie dem Schöffengericht vorlegen. Er behauptet, Mats habe Arndt van Doorne umgebracht, weil Frau Alyss ihren Mann loswerden wollte. Das beweise ihre Trennung von Tisch und Bett und die Brautschatzfrei ung. Dazu habe sie Gislindis um Hilfe gebeten, die ihren schwachsinnigen Vater mit Zauberkräften dazu gebracht hat, ihn zu erstechen.«
Gislindis! Marian spürte einen heftigen Stich in seinem Herzen. Ebensowenig wie seine Schwester durfte Gislindis von der verwesten Bleichwurz Overstoltz angeklagt werden.
»Ihr seht blass aus, Herr Marian. Bedient Euch von dem Krug. Er enthält unvermischten Rotwein aus Eurer Schwester Keller.«
Dankbar füllte sich Marian einen halben Becher voll und trank in kleinen Schlucken.
»Was können wir tun, Magister Jakob?«
»Ich habe Gnadengesuche vorliegen, die dem Gericht übergeben werden. Ich vertraue darauf, dass die übrigen Schöffen gemeinsam doch mehr Hirn haben als der Overstoltz und die Anklage fallen lassen.«
»Ach ja, der Overstoltz«, sinnierte Marian plötzlich, da er sich an die Ausführungen seines Vaters erinnerte.
»Ja, ja, der Overstoltz. Ich habe ein wenig gestöbert, Herr Marian.«
»Wir auch. Was fandet Ihr?«
»Widersprüche. Ah – da war der Gerard Overstoltz vom Vogelsang. Ein geltungssüchtiger Ratsherr zu Zeiten. Gezeugt hat er in seiner Ehe mit Mynta drei Kinder, so heißt es. Zwei Söhne, Hermann und Werner, und eine Tochter namens Nesa. Gerard verließ diese Welt im Jahre 1391. Werner wurde 1396 der Stadt verwiesen und kehrte 1399 zurück in das Rheingassenhaus. Hermann verstarb in Aachen, die Tochter im Kindbett.«
»Kein Endres?«
»Doch, Endres Overstoltz vom Vogelsang wird beurkundet als der eheliche Sohn des Gerard. Zumindest in den Urkunden, die dem Schöffenkolleg vorliegen. Diese aber sind Abschriften der Abstammungsurkunde, die der Patron der Overstoltzens, der von der Rheingasse, gesiegelt hat.«
»Man könnte nachdenklich werden.«
»Aber man braucht Beweise, Herr Marian.«
Man würde Beweise suchen, versprach sich Marian, als er sich auf den Weg zu Pitters Badestube machte. Aber zuerst galt es, nach Lore zu fragen.
Das Badehaus war am Sonntag geschlossen – für den Tag des Herrn hatte man sich am Vortag gereinigt. Dennoch empfing ihn Pitter, wenn auch nicht mit freundlicher Miene.
»Es gibt hier nichts mehr für Euch zu tun, Herr Marian.«
»Ich weiß, Meister Pitter. Verzeiht, dass ich einige Monate lang Eure Zeit in Anspruch genommen habe. Ich will Euch die Ausbildung bezahlen.«
»Quatsch! Setzt Euch!«
Pitter, der eine gemütlich eingerichtete Kammer über den Badestuben bewohnte, ließ sich auf die Bank am Fenster fallen. Marian nahm ebenfalls Platz.
»Es geht nicht, Meister Pitter. Ich habe zu viele an dere Sorgen, die meiner Aufmerksamkeit harren. Meine Schwester …«
»Ich weiß, dass Frau Alyss im Turm sitzt. Sollte der
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