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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Turmvogt hier seinen Bart geschabt haben wollen, wird er feststellen, wie ungeschickt ich mit einem schartigen Messer bin.«
    »Es ist nicht der Vogt, es ist der Schöffe Overstoltz. Und der wird dieses Haus hier leider nicht aufsuchen. Aber um meine Schwester kümmern sich Master John und mein Vater.«
    »Gut so.«
    »Ich bin auf der Suche nach unserer Lore. Sie scheint in irgendeiner Art auch in diese Angelegenheit verwickelt zu sein. Hat einer von Euren Jungs etwas von ihr gehört oder gesehen?«
    »Wartet einen Augenblick.«
    Pitter verließ die Kammer und kehrte mit einem schmalen Bürschchen zurück, das er selbst in jugendlichen Jahren hätte sein können. In dem scharfkantigen Gesicht blitzten erfahrene Augen, seine großen Ohren standen aus Büscheln mausfarbener Haare hervor.
    »Niklaas, hast du etwas über Lore gehört? Der Herr Marian sorgt sich um sie.«
    Abschätzend wurde Marian gemustert. Doch der Junge gab sich maulfaul, und plötzlich ahnte Marian auch, warum.
    »Niklaas, ich suche sie, weil wir Angst um sie haben, nicht um sie zu schelten. Sie ist meiner Schwester eine große Hilfe, Magister Jakob vermisst ihren scharfen Schnabel ebenfalls, und die Beginen haben sie lieb gewonnen. Wenn du irgendwas gehört oder gesehen hast, hilf uns. Es soll dein Schaden nicht sein.«
    Der Päckelchesträger druckste noch etwas herum, dann stieß Pitter ihn an.
    »Du weißt was, Bengel. Ich seh es dir doch an. Mich kannst du nicht hinters Licht führen, das ist dir doch klar.«
    »Nee, kann man nicht, Meister Pitter.« Ein schiefes Grinsen zog sich über das magere Gesicht. »Na gut, ich sag’s. Aber verpfeift mich nicht bei der Lore. Die kann nämlich ziemlich fies werden.«
    »Wir schweigen, versprochen.«
    »Na gut. Einer von uns hat sie am Freitag unten am Entenpfuhl gesehen. Vielleicht isse in den Aduchten.«
    Bei dieser Vermutung erschauderte Niklaas. Und nicht zu Unrecht. Die alten Kanäle hatten den Ruf, allerlei finstere Bewohner zu beherbergen, von denen die Ratten noch die harmlosesten waren. Marian versuchte gleichmütig auszusehen, doch die Nachricht machte ihm Angst.
    »Ich werde sehen, was man tun kann. Weißt du sonst noch was, Niklaas?«
    »Die Lore, die is ne jewetz Mädche, aber do unten …do wird mer schnell zum Jefräß.«
    Ja, es gab die Gerüchte, dass die Ausgestoßenen, die dort hausten, nicht eben wählerisch waren, mit dem, was sie aßen. Marian drückte dem Jungen eine Münze in die Hand, und Pitter schob ihn aus der Kammer.
    »Und?«
    »Ich werde sie finden.«
    »Und wenn alles vorbei ist, werdet Ihr wieder an meiner Tür kratzen?«
    »Nein, Meister Pitter. Oder besser nur, um ein Bad zu nehmen.«
    »Ihr gebt es dran, ein Heiler zu werden?«
    Marian vergrub den Kopf in den Händen. Es war alles in Unordnung geraten. Vor einem Jahr noch hatte er ganz genau gewusst, wo seine Ziele, seine Aufgaben, ja seine Bestimmung lagen.
    »Herr Marian, ich habe mich sehr, sehr lange Zeit als Päckelchesträger durch diese verwinkelte Stadt getrieben. Es gibt viele Wege, um von hier nach da zu kommen. Manchmal muss man Umwege nehmen, um dahinzukommen, wo man sein Päckchen ablegen kann.«
    »Wenn ich nur wüsste, wo das ist, Pitter.«
    »Aber das weißt du doch, Marian. Und nun geh, und hol die kleine Lore aus der Unterwelt.«
    Müde erhob Marian sich, verabschiedete sich und wanderte durch die verwinkelten Gassen zum Haus seiner Schwester.

24. Kapitel
    J ohn betrachtete Benefiz, der aufgeregt um Frieders Beine hüpfte. Soeben hatte Marian die Botschaft gebracht, dass die vermisste Maid sich in den alten Kanälen an einem Ort namens Entenpfuhl aufhalten könnte. Er war aber sogleich wieder gegangen, weil er noch einmal mit Mats im Turm sprechen wollte. Der Ritter, den John bei den Benediktinern vorgefunden hatte, hatte eben einen bemerkenswerten Vorschlag gemacht, wie man Lore finden könnte. Frieder sah aufgeregt aus.
    »Ihr meint wirklich, er könnte das, Herr Fredegar?«
    »Er ist zwar kein Jagdhund, aber er kennt Lore, sagst du. Hunde haben einen ausgezeichneten Geruchssinn. Wenn ihr hier ein Kleidungsstück von ihr habt, dann wird er vielleicht die Fährte aufnehmen.«
    »Ich habe einen Kittel von ihr hier, den wir den Wäscherinnen geben wollten«, meinte Lauryn. »Der riecht ziemlich streng nach ihr.«
    »Umso besser. Frieder, dieser Spitz scheint dir sehr zugetan zu sein. Du solltest versuchen, ihm zu zeigen, was von ihm erwartet wird.«
    »Ja, Herr Fredegar.«
    »Aber auf gar keinen Fall

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