Mit Familienanschluß
im Gras lagerten und genau das trieben, was Hermann Wolters seiner Tochter Gabi untersagen wollte. Das ›Hasi‹ wurde ein Teil ihres Lebens, es gehörte einfach zu ihnen, und Hermann Wolters reagierte ausgesprochen aggressiv, als Gabi einmal fragte: »Paps, kannst du Mami nicht endlich mal anders nennen? Meine Freundinnen lachen sich ein Loch in die Hose.«
»Das gibt einen guten Durchzug!« hatte Wolters gebrüllt. »Bei den Löchern, die sie im Kopf haben!«
Auch Walter meinte mehrmals: »Paps, ist Mami nicht ein wenig zu – na, sagen wir – zu gestanden, um noch ein Hasi zu sein?«
Und auch hier brüllte Wolters zurück: »Ich werde deine Mutter nicht deinetwegen Stalina nennen!«
»Stalin ist längst out«, erwiderte Walter von oben herab. »Für einen Geschichtslehrer bist du weit zurück, Paps …«
Am vernünftigsten war noch der kleine Manfred. Wenn er aus Vaters Mund das ›Hasi‹ hörte, kommentierte er nur: »Doof!«
An diesem Montagabend allerdings herrschte Frieden in der Familie. Auf dem Bildschirm jagten die Cowboys durch den Wilden Westen, Gabi knabberte an einem Keks, Walter rauchte eine Zigarette, Manfred trank eine Cola, und Dorothea strickte. Und doch kündigte sich etwas an … Vor Hermann Wolters lag ein Schnellhefter, der – so hatte Walter mit einem Blick festgestellt – nichts Schulisches enthielt. Vielleicht das Konzept für Paps' neuen Volkshochschulvortrag über Kaiser Hadrian? Wenn er begann, daraus vorzulesen, ging man am besten auf sein Zimmer und hörte Protestsongs.
»Wie lange dauert der Western?« fragte Wolters und zog an seiner Krummpfeife. Es roch süßlich herb … Wolters mischte seinen Tabak immer selbst aus neun verschiedenen Sorten. Gabi mit ihrem losen Mundwerk hatte einmal eine treffende Bemerkung gemacht: »Paps ist auch noch ein verhinderter Chemiker!«
Walter drehte sich nach hinten, griff nach der Flasche seines Vaters und trank das Rauchbier auf gute alte Art direkt aus der Flasche. Wolters schob mißbilligend die Unterlippe vor, aber er schwieg. Er brauchte jetzt den allgemeinen Frieden.
»Ich nehme an, wenn die Pferde lahm sind!« beantwortete Walter die vorherige Frage seines Vaters.
»Spar dir diese dusseligen Bemerkungen!« sagte Wolters.
»Sie können auch die Pferde wechseln, dann dauert's länger!« warf Gabi ein.
»Meine Kinder sprühen heute ja wieder vor Geist.« Wolters klappte den Schnellhefter auf. »Ich habe euch etwas mitzuteilen …«
»Kaiser Hadrian?« fragte Walter sofort.
Wolters deutete auf das Fernsehgerät. »Kann man den Kasten nicht abstellen?«
»Jetzt wird's doch gerade spannend!« rief Manfred und wedelte mit beiden Händen. »Den einen Räuber haben sie schon in den Hintern geschossen!«
Dorothea sah ihren Mann an, dann stand sie auf, ging zu dem Gerät und schaltete aus. Ihr Rundblick über die Kinder erstickte jeden Protest. Gegen Mami war man machtlos … Irgendwie tat es einem innen weh, wenn man mit ihr stritt. Mit Paps in den Clinch zu gehen war dagegen eine Art Leistungssport.
»Was hast du uns zu sagen, Muckel?«
Bezeichnenderweise hatte keines der Kinder jemals gegen dieses ›Muckel‹ protestiert. Ein Studienrat für Erdkunde und Geschichte, der Muckel gerufen wurde, lag ganz auf ihrer Linie. Ganz klar, daß Hermann Wolters in der Schule auch nur Muckel hieß. Vor neun Jahren hatte er sich noch maßlos darüber aufgeregt, als Walter diesen Namen auf dem Gymnasium einführte, jetzt trug er ihn mit der Würde der Abgeklärtheit und der Weisheit eines in Jahren gewachsenen Humors.
»Es ist eine Entscheidung zu besprechen, die ich getroffen habe und die uns alle angeht.« Wolters legte seine Krummpfeife neben die Bierflasche.
»Wenn eine Entscheidung getroffen ist, braucht man, keine Diskussion mehr!« sagte Sohn Walter. »Immer dasselbe! Diktatorische Demokratie!«
»Deine Schlagworte häng mal an die Flurgarderobe!« Wolters lehnte sich auf der Couch zurück. »Es wird langsam Zeit, daran zu denken: Es geht um die Planung für die großen Ferien.«
»O je!« Walter griff wieder nach der Rauchbierflasche, aber Wolters war schneller und zog sie zu sich herüber.
»Was heißt das, Walter?«
»Ich wollte sowieso mit dir darüber sprechen, in den nächsten Tagen. Nun bist du mir zuvorgekommen, Paps. Unter vier Augen …«
»Was die Familie angeht, wird gemeinsam besprochen.«
»Es geht nur mich an, Paps …«
»Was dich angeht, ist auch unser aller Problem!«
»Ich bin neunzehn …«
»Alt genug, um
Weitere Kostenlose Bücher