Mit Freuden begraben – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
sich, und weil sie ein sparsames Mädchen war, angelte sie die verstreuten Zigaretten hervor. Dann fuhr sie auf der ruhigen, menschenleeren Dorfstraße bis zu ihrem Cottage aus dem achtzehnten Jahrhundert zurück.
Hier entkleidete sie sich, wusch sich gründlich, zog einen rückenfreien weißen Badeanzug an und ein frisches weißes Musselinkleid darüber, stopfte Unterwäsche und eine Badehaube in ihre Tasche und trat, ein Handtuch über dem Arm, zur Tür hinaus, ging schnell noch einmal ins Haus, um Zündhölzer zu holen, kam wieder heraus und fuhr zum Park von Sanford Hall.
Der frühere Witwensitz, ein großzügiger Bau, befindet sich in einiger Entfernung von Sanford Hall selbst, und Diana musste durch sein Tor hindurchfahren, um zum See zu gelangen. Mit beschleunigtem Puls blickte sie sich um, um zu sehen, ob Robert sich im Freien aufhielte, was er aber nicht tat. In stiller, wenn auch uneingestandener Enttäuschung fuhr sie auf dem kiesbestreuten Weg weiter durch den Park, wo sich ein höflicher alter Gärtner an die Mütze tippte, als sie vorbeikam, bis auf die mit Gras bewachsene Anhöhe hinauf, von der aus man den See überblickte. Hier parkte sie ihren Wagen und legte den Rest der Strecke zu Fuß zurück.
Der See war klein, aber zum Baden ideal, weil er sich aus einer sauberen Quelle speiste und sich dann in einen kleinen Nebenfluss ergoss, der im Spoor mündete. Außerdem war der Teich wunderbar abgeschottet, lag er doch außer Sichtweite vom Witwensitz und Sanford Hall. Denn wenn Diana etwas hasste, waren es solche Menschen, die herumsitzen oder -stehen und den anderen in aller Ruhe und oftmals lüstern beim Baden zuschauen. Das kühle Wasser glitzerte im Sonnenlicht. Ein wenig seetauglich aussehendes Ruderboot lag, mit Wasser gefüllt, in Ufernähe und schaukelte auf den Wellen hin und her. Diana streifte Kleid und Schuhe ab und setzte ihre Badehaube auf, stand einen Moment lang regungslos am Rand und sprang dann hinein.
Die Kühle des Wassers war ein solcher Genuss für die Sinne, dass es geradezu unanständig war. Während sie sich daran ergötzte, schwamm Diana langsam bis zur Mitte des Sees, wo sie sich auf den Rücken drehte und mit geschlossenen Augen in der gleißenden Nachmittagssonne treiben ließ. Ein fröhlicher Ruf vom Ufer weckte sie aus einem wirren, aber nicht unangenehmen Tagtraum, und als sie sich umdrehte, die Augen öffnete und zurückschwamm, entdeckte sie den siebzehnten Earl of Sanford. Schlank und entzückendend wie ein Adonis stand er mit aufgeknöpftem Hemdkragen da, eine Hand in die Taschen seiner abgewetzten grauen Flanellhosen gesteckt. Diana überlegte, dass ein wirklich zielbewusstes Mädchen an dieser Stelle vorgeben würde zu ertrinken, um nach der Rettung so viel jungfräuliche Dankbarkeit zu zeigen, dass sich eine nachfolgende Liebelei zwangsläufig ergeben müsste. Aber wirklich zielbewusste Mädchen hatten vermutlich mehr Übung in der Inszenierung von aquatischen Katastrophen als sie, und sie hegte die Befürchtung, das Manöver würde, sollte sie es wagen, wenig überzeugend wirken. Also schwamm sie stattdessen zum Ufer, kletterte aus dem Wasser, nahm ihre Badehaube ab und kramte in ihrer Tasche nach einem Kamm.
»Hallo, Robert«, sagte sie. »Du bist ja putzmunter. Was ist denn los?«
Er lächelte sie charmant an. »Wie schön, dich zu sehen, Diana. Ich hatte gehofft, du würdest herkommen.« Mit stets gleichbleibender Höflichkeit nahm er ihr Handtuch und reichte es ihr hinüber. »Etwas Wunderbares ist passiert, und den ganzen Tag schon brenne ich darauf, jemandem davon zu erzählen.«
Diana verspürte einen Stich der Sorge und bösen Vorahnung. Er wollte ihr – um Gottes willen – doch nicht etwa von seiner Verlobung mit einer anderen berichten …? Entschlossen rieb sie ihr Gesicht mit dem Handtuch ab.
»Oh, was ist es denn?«, fragte sie mit bemüht heller und klarer Stimme.
»Es geht um mein Examen in Oxford. Ich habe soeben das Ergebnis erfahren. Ich habe mit Auszeichnung bestanden.«
Diana blickte zu seinem fein geschnittenen, sonnenverbrannten Gesicht auf, und nur mit größter Mühe konnte sie den Impuls unterdrücken, vor lauter Dankbarkeit und Erleichterung in Tränen auszubrechen. »Aber Robert, natürlich hast du das«, rief sie. »Ich habe es immer gewusst.«
Er lachte, und sie hatte den Eindruck, ihn noch nie so glücklich gesehen zu haben. »Dann wusstest du mehr als ich.«
»Die allerbesten Glückwünsche, Robert.«
»Danke, Diana …
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