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Mit geschlossenen Augen

Mit geschlossenen Augen

Titel: Mit geschlossenen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Panarello
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Schweißtropfen bedeckt, während ich ganz ohne fremde Hilfe kam, ohne Penetration, ohne Streicheln, rein vom Kopf her.
Sein Orgasmus war gewaltig, ich sah ihn spritzen und hörte sein Schnaufen, das abbrach, als er die Augen öffnete.
Danach legte er sich zu mir aufs Sofa, wir umarmten uns und schliefen ein, während Marilyn ihr Auge an der kleinen Perle von Ernestos goldenem Top rieb.
3. Januar 2002 2 Uhr 30 morgens
    Wieder in der museumsartigen Wohnung mit denselben Personen. Diesmal spielten wir, ich sei die Erde und sie die Würmer, die sie umgraben. Fünf verschiedene Würmer pflügten meinen Körper, und als ich nach Hause kam, fühlte ich mich wie ein bröckeliges, erdrutschgefährdetes Stück Land. In meinem Kleiderschrank hängt ein vergilbter alter Morgenrock meiner Großmutter, den zog ich an; er roch nach Weichspüler und einer längst vergangenen Zeit, deren Duft sich mit dem Gestank der absurden Gegenwart vermischte. Ich wiegte mich eine Weile in Gedanken an diese tröstliche Vergangenheit, löste den Knoten in meinem Haar und schnupperte daran. Dann ging ich mit einem Lächeln ins Bett, doch es verwandelte sich bald in Tränen, milde Tränen.
9. Januar 2002
    Neulich bei Ernesto entdeckte ich noch mehr Geheimnisse. Als wir aufwachten, gestand ich ihm, dass sein Strip in mir den Wunsch geweckt hatte, zwei Männer beim Bumsen zu beobachten. Ja, ich will zwei Männer miteinander vögeln sehen, und zwar so, wie sie es bisher mit mir gemacht haben, mit derselben Rücksichtslosigkeit, mit derselben Brutalität.
    Ich komme nicht zur Ruhe, schieße dahin wie ein Stöckchen in der Strömung des Flusses. Ich lerne, Nein zu sagen, Nein zu den andern und Ja zu mir selbst, und ich lerne, meinem Innersten freien Lauf zu lassen und auf meine Umwelt zu scheißen. Ich lerne.
    Ernestos Stimme klang noch verschlafen: »Ich höre nicht auf, über dich zu staunen«, sagte er. »Deine Phantasie und Vorstellungskraft sind unerschöpflich, Melissa, der reinste Quell.«
    »Bitte, Ernesto, ich brauch das. Zur Not würde ich sogar dafür bezahlen«, sagte ich, ohne mich aus seiner Umarmung zu lösen.
»Also?«, fragte ich nach einer Weile ungeduldig.
»Also, was?«
»Na ja ... du bist doch sozusagen vom Fach ... kennst du niemanden, der sich zugucken lassen würde?«
»Mensch, Mädchen, hör auf! Kannst du zur Abwechslung nicht mal brav sein und dich mit normalen Geschichten zufrieden geben?«
»Brav sein liegt mir nicht«, sagte ich. »Und was verstehst du überhaupt unter ›normalen Geschichten‹?«
»Geschichten, wie sie eben zu einer Sechzehnjährigen passen, Meli. Du Mädchen, er Junge. Geschichten, in denen Liebe und Sex sich die Waage halten, wenigstens annähernd.«
»Für mich ist genau das die eigentliche Perversion!«, erwiderte ich hysterisch. »Ein total langweiliges Leben: Samstagabend auf der Piazza vor dem Teatro Massimo, Sonntagmorgen Frühstück am Meer, Sex ausschließlich am Wochenende, Eltern, die alles wissen dürfen, und so weiter und so fort ... dann lieber allein!«
Erneutes Schweigen.
»Verdammt noch mal, so bin ich eben, und ich habe nicht die geringste Lust, mich zu ändern, für niemanden. Überhaupt: Wer bist du, um mir Moralpredigten zu halten?«, warf ich ihm lachend an den Kopf.
Er grinste und fuhr mir übers Haar.
»Ich hab dich gern, Kleine, und ich möchte nicht, dass etwas Schlimmes passiert.«
»Das tut es aber, wenn ich nicht meinen Willen bekomme. Und ich mag dich auch.«
Ernesto hat mir von zwei Jungs erzählt, Jurastudenten im letzten Semester. Ich soll sie morgen kennen lernen, sie holen mich nach der Schule im Bellini-Park am Teich mit den Schwänen ab. Ich werde meine Mutter anrufen und ihr sagen, dass ich den ganzen Nachmittag TheaterAG habe.
10. Januar 2002 15 Uhr 45
    »Also, ihr Frauen seid wirklich bescheuert! Zwei Männern beim Vögeln zuzuglotzen ... pah!« Germano, hinterm Steuer, schnaubte verächtlich. Er hatte riesengroße schwarze Augen und ein breites, wohlgeformtes Gesicht, das von pechschwarzen Löckchen gekrönt wurde; wäre nicht der helle Teint gewesen, hätte man ihn für einen jungen Afrikaner halten können. Er thronte auf dem Fahrersitz wie der König des Waldes, groß und erhaben, würdevoll und majestätisch, die langen, schlanken Finger locker auf das Lenkrad gelegt; ein Stahlring mit runenartigen Motiven kontrastierte mit seiner weißen, unglaublich weichen Haut.
    Von hinten antwortete der andere Junge für mich; er hatte schmale Lippen und eine hohe,

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