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Mit geschlossenen Augen

Mit geschlossenen Augen

Titel: Mit geschlossenen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Panarello
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heißen, Ernesto?«, fragte ich leise.
Seine Bewegungen wurden langsamer, seine Muskeln entspannten sich, und seine Augen starrten auf den Boden.
»Ich kaufe diese Klamotten für mich. Ich trage sie und ... arbeite damit.«
Auch ich enthielt mich zunächst jeglichen Kommentars, mein Kopf war leer. Aber im nächsten Moment kamen mir tausend Fragen: »Du arbeitest damit? Wie? Wo? Warum?«
Er begann zu sprechen, ohne dass ich ihn dazu drängte.
»Ich verkleide mich gern als Frau. Vor ein paar Jahren habe ich damit angefangen. Ich schließe mich in meinem Zimmer ein, stelle eine Videokamera auf den Schreibtisch und ziehe mich um. Ich genieße das, ich fühle mich gut dabei. Nachher gucke ich mir die Aufnahmen an und ... na ja, dabei errege ich mich. Manchmal lasse ich mich auch von andern filmen, von Leuten, die mich darum bitten.« Seine Wangen begannen zu glühen.
Ringsum Stille, nichts als das Rauschen des Regens, der in dünnen Metallfäden vom Himmel fiel und Gitterstäbe vor dem Fenster bildete.
»Du prostituierst dich?«, fragte ich ihn auf den Kopf zu.
Er nickte, vergrub aber sofort das Gesicht in den Händen.
»Meli, glaub mir, ich mach's ausschließlich mit dem Mund, mehr nicht. Es gibt auch Typen, die wollen mir ... na ja, den Arsch aufreißen, aber da mach ich nicht mit, das schwöre ich ... Ich tu's auch nur, um mein Studium bezahlen zu können, du weißt, dass meine Eltern nicht gerade reich sind ...« Er hätte wohl gern noch mehr zu seiner Rechtfertigung vorgebracht, doch ich weiß, dass ihm die Sache Spaß macht.
»Ich kritisiere dich nicht, Ernesto«, sagte ich nach einer Weile und beobachtete dabei die nervös glitzernden Regentropfen auf der Fensterscheibe. »Jeder von uns lebt sein Leben ‒ das hast du vor ein paar Minuten selbst gesagt. Jeder entscheidet für sich, welchen Weg er einschlagen möchte, und manchmal sind auch die falschen Wege die richtigen und umgekehrt. Hauptsache, wir bleiben uns und unsern Träumen treu. Nur dann werden wir eines Tages sagen können, dass wir für uns die richtige Wahl getroffen haben. Mich interessiert nur, warum du es tust, Ernesto ... ehrlich.«
Das war reine Heuchelei, ich weiß.
Seine sanften Augen sahen mich fragend an. »Und du? Warum tust du es?«
Ich antwortete nicht, aber mein Schweigen sagte alles. Und mein Gewissen meldete sich so lautstark zu Wort, dass ich ‒ um es zu beruhigen ‒ ganz spontan und ohne jede Scham die Bitte an ihn richtete, sich für mich zu verkleiden. »Würdest du das tun?«
»Warum? Warum möchtest du das?«
Ich wusste es selbst nicht.
»Weil es schön ist, zwei Identitäten in einem Körper zu erleben«, erwiderte ich langsam und ein wenig verlegen, »Mann und Frau in einer Haut ‒ noch so ein Geheimnis. Ich finde das total abgefahren. Und überhaupt: Was ist schon dabei? Wir tun etwas, das uns beiden Spaß macht, keiner zwingt uns dazu. Da kann doch nichts Schlimmes dabei sein ...«
Ich sah, dass sein Schritt sich wölbte, so sehr er seine Erregung auch zu verbergen suchte.
»Also gut«, sagte er trocken, ging zum Schrank und holte ein Kleid und ein großes T-Shirt heraus, das er mir zuwarf.
»Sorry, das hatte ich ganz vergessen. Zieh's dir an.«
»Dazu muss ich mich erst mal ausziehen.«
»Und? Genierst du dich?«
»Nein, nein, keine Spur«, sagte ich.
Ich zog mich aus ‒ meine Nacktheit erregte ihn noch mehr ‒ und schlüpfte in das lange rosa T-Shirt mit dem Aufdruck Bye, bye Baby, worauf eine augenzwinkernde Marilyn meinen Freund beim Verkleiden beobachtete ‒eine Art Ritus, den er feierlich, fast ekstatisch zelebrierte. Er wandte mir dabei den Rücken zu, sodass ich nur seine Bewegungen und den dünnen String seines Tangas zwischen den muskulösen Pobacken sehen konnte. Dann drehte er sich um: kurzer schwarzer Minirock, halterlose Netzstrümpfe, hochhackige Stiefel, wattierter BH und goldenes Top. So stand plötzlich ein Freund vor mir, den ich immer nur in Lacoste-Hemden und Levi's erlebt hatte. Mir sah man meine Erregung nicht an, aber sie war da.
Ernestos Schwanz ragte hoch aufgerichtet aus dem engen String-Tanga heraus, den er nun nach unten zog, um ihn zu massieren.
Ich streckte mich auf der Couch aus, als wäre ich in einer StripteaseVorstellung, und schaute ihm zu. Ich hatte Lust, mich zu berühren, ja sogar, diesen Körper zu reiten, und ich wunderte mich über die beinahe schon männliche Gefühlskalte, mit der ich Ernesto beim Masturbieren beobachtete. Sein Gesicht war verzerrt und mit winzigen

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