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Mit geschlossenen Augen

Mit geschlossenen Augen

Titel: Mit geschlossenen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Panarello
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gegen die des Vamps. Ich bin ihnen dankbar dafür, dass sie mir die Möglichkeit geben, dem grauen Alltag zu entfliehen und eine andere zu sein.
    Wenn ich zu Hause bin, surfe ich durchs Internet, gehe auf Entdeckungsreise, suche. Ich suche alles, was mich erregt und mir gleichzeitig wehtut. Ich suche die Erregung, die aus der Demütigung kommt. Ich suche die Vernichtung. Dabei stoße ich auf die bizarrsten Individuen, Typen, die mir Sadomaso-Fotos schicken und mich als echte Hure behandeln. Typen, die einfach abladen wollen ‒ ihre Wut, ihr Sperma, ihren Stress, ihre Angst. Ich bin nicht anders als sie. Meine Augen bekommen einen kranken Glanz, mein Herz klopft wie verrückt. Ich glaube (oder gebe mich der Illusion hin?), im Labyrinth des Webs jemanden zu finden, der bereit ist, mich zu lieben. Egal, ob Frau oder Mann, alt oder jung, verheiratet oder Single, Gay oder Transvestit. Mir ist alles recht.
    Gestern Nacht habe ich eine Site für Lesbierinnen besucht. Warum es nicht mal mit einer Frau versuchen? Der Gedanke stößt mich nicht grundsätzlich ab. Eher schon ist er mir peinlich, macht er mir Angst. Ein paar Frauen haben mich kontaktiert, aber ich habe sie sofort wieder rausgeschmissen, ohne auch nur ihr Foto anzusehen.
    Heute Morgen bekam ich eine Mail von einem Mädchen namens Letizia ‒ zwanzig Jahre alt und wie ich aus Catania. In der Nachricht steht wenig drin, nur ihr Name, ihr Alter und ihre Telefonnummer. 1. Februar 2002
19 Uhr 30
     
Heute habe ich in der Schule die Hauptrolle in einem Theaterstück angeboten bekommen.
    Endlich kann ich tagsüber etwas tun, das mir Spaß macht. Das Stück soll in rund einem Monat aufgeführt werden, in einem Theatersaal im Stadtzentrum.
5. Februar 2002 22 Uhr 00
    Ich hab sie angerufen. Sie hat eine etwas schrille Stimme, klingt aber fröhlich und unkompliziert ‒ im Gegensatz zu mir; ich klinge bestimmt total deprimiert und bedrückt. Nach einer Weile habe ich mich entspannt und konnte sogar lächeln. Ich hatte nicht die geringste Lust, etwas über sie und ihr Leben zu erfahren; ich wollte nur wissen, wie sie aussieht. Irgendwann hab ich sie direkt danach gefragt: »Sorry, Letizia ... du hast nicht zufällig ein Foto von dir, das du mir kurz schicken könntest?«
    Sie lachte laut auf. »Aber sicher!«, rief sie. »Schalt deinen PC ein, ich schicke es dir sofort, dann kannst du gleich deinen Kommentar dazu abgeben.«
»Okay«, erwiderte ich zufrieden.
    Hübsch, sagenhaft hübsch. Und nackt. Blinzelnd, sinnlich, verführerisch.
»Bist das wirklich du?«, stammelte ich.
»Klar! Glaubst du's nicht?«
»Doch, doch, sicher ... Du ... du siehst echt toll aus ...«, sagte ich, erstaunt über das Foto und meine spontane Begeisterung. Ich stehe nicht auf Frauen, ich meine ... ich drehe mich auf der Straße nicht nach ihnen um, ein weiblicher Körper erregt mich nicht, und ich habe nie ernsthaft an eine Beziehung zu einer Frau gedacht. Aber Letizia hat ein Engelsgesicht und wunderschöne volle Lippen. Unterhalb ihres Bauches habe ich ein paradiesisches Inselchen gesehen, an dem man stranden möchte, ein ausgezacktes Kleinod, sinnlich und duftend. Und ihre Brüste ‒ wie sanfte Hügel mit großen rosa Kreisen obendrauf.
»Und du? Schickst du mir auch ein Foto?«, fragte sie mich. »Ja, warte einen Moment«, sagte ich, klickte im Speicher meines Computers wahllos ein Foto an und schickte es ihr.
»Du siehst aus wie ein Engel«, meinte Letizia, »wundervoll.«
»Tja, ich sehe aus wie ein Engel ... Aber ich bin keiner, glaub mir«, erwiderte ich ein wenig kokett.
»Melissa, ich möchte dich treffen.«
»Ja, hoffen wir, dass es mal dazu kommt«, sagte ich.
Später hat sie mir eine SMS geschickt, in der stand: »Ich möchte deinen Hals mit heißen Küssen bedecken, während eine meiner Hände dich erkundet.«
Ich kroch unter die Bettdecke, zog meinen Slip runter und machte den Qualen, die Letizia unbewusst in mir ausgelöst hatte, ein Ende.
7. Februar 2002
    Als ich heute bei Ernesto war, habe ich Gianmaria wieder gesehen. Er war total gut drauf, umarmte mich stürmisch. Dank meiner hätte sich vieles zwischen ihm und Germano geändert. Inwiefern hat er nicht gesagt, und ich habe ihn auch nicht danach gefragt. Ich weiß bis heute nicht, was Germano neulich dazu gebracht hat, sich so zu verhalten; dass ich der Auslöser war, ist klar. Aber wovon? Warum? Ich war nur ich selbst, Tagebuch.
8. Februar 13 Uhr 18
    Weiter auf der Suche, und das wird auch nicht aufhören, bis ich gefunden

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