Mit geschlossenen Augen
verrückt in die Hände klatschte; das ist auch ein Grund, weshalb ich sie mag, sie ist so spontan und fröhlich, und sie vermittelt einem eine unglaubliche Lebensfreude; ihr ins Gesicht zu schauen heißt, die eigene Freude um ein Vielfaches gesteigert wiederzufinden.
Aldo zog mich am Arm und rief: »Klasse, Schätzchen, du warst Spitzenklasse! Komm, beeil dich, zieh dich um, jetzt gehen wir alle zusammen feiern!« Er war ganz aus dem Häuschen, so kannte ich ihn gar nicht; ich musste lauthals lachen.
Aber ich sagte ihm, ich könne nicht mitkommen, ich sei mit jemand anderem verabredet. Im selben Moment kam Letizia zu uns; sie lachte übers ganze Gesicht, als sie jedoch Aldo sah, verdüsterte sich ihre Miene schlagartig. Und auch Aldo war plötzlich bleich und ernst geworden. Ich hab ein paar Mal dumm von einem zum andern geguckt und dann gefragt: »Was ist los? Was habt ihr beiden?«
Sie schwiegen und starrten sich fast drohend an.
Aldo fand als Erster die Sprache wieder: »Nichts, nichts, geht nur. Ich sag den andern, dass du nicht mitkommen konntest. Ciao, bella«., meinte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
Ich sah ihm verwirrt nach, wie er davoneilte, dann drehte ich mich zu Letizia um: »Was zum Teufel ist hier los? Kennt ihr euch?«
Letizia wirkte jetzt entspannter, aber sie zögerte, wich meinem Blick aus und vergrub das Gesicht in den langen, schlanken Händen.
Dann sah sie mir plötzlich in die Augen und sagte: »Ich denke, du weißt, dass Aldo schwul ist.«
Ich bejahte ‒ das wissen in der Schule alle, er redet inzwischen offen darüber. »Und?«, hakte ich nach.
»Vor einiger Zeit war er mit einem Jungen zusammen, und dann ... na ja, dann haben ich und er uns kennen gelernt, ich meine, ich und der Junge ... Aldo dachte sich schon so was...«Ihre Worte kamen langsam und stockend.
»Dachte sich was?«, fragte ich naseweis und zugleich hysterisch.
Letizia sah mich mit ihren großen, glänzenden Augen an: »Nein, ich kann es dir nicht sagen, sorry ... ich kann nicht...« Sie wandte den Blick ab. »Dass ich nicht nur lesbisch bin ...«, sagte sie.
Und ich, was bin ich? Eine Frau, und noch nicht mal das; fürs Einwohnermeldeamt wäre ich dafür noch zu jung, ein Mädchen, das Zuflucht und Liebe in den Armen einer Frau sucht. Aber ich lüge, Tagebuch, ich würde meiner anderen Hälfte nie gestatten, mir so sehr zu ähneln, ich muss die einzige weibliche Komponente in einem Ganzen sein. Was ich von Letizia will, an ihr begehre, ist nur ihr Körper, ihre fleischliche Essenz und ein wenig auch die geistige, ich gebe es zu. An ihr gefällt mir einfach alles, sie fasziniert und betört mich und ist seit einiger Zeit die Protagonistin vieler meiner Phantasien. Die Liebe ‒ die, die ich von jeher suche ‒ scheint mir manchmal so unerreichbar, so anders als ich ...
1. März 2002 23 Uhr 20
Als ich heute aus dem Haus ging, hing mein Vater auf dem Sofa und starrte mit abwesendem Blick in die Glotze. Gelangweilt fragte er mich, wohin ich gehe, aber ich fand es überflüssig, ihm zu antworten. Ich hätte sagen können, was ich wollte, sein apathischer Gesichtsausdruck und seine Haltung wären dieselben geblieben.
Hätte ich gesagt: »Ich gehe in die Wohnung, die ein verheirateter Mann gerade gekauft hat, damit wir in Ruhe miteinander bumsen können«, hätte das dieselbe Wirkung gehabt, wie wenn ich gesagt hätte: »Zu Alessandra, wir wollen zusammen lernen.«
Also habe ich nur leise die Tür hinter mir zugezogen, um ihn nicht in seinen abstrakten Gedanken zu stören, die mit Sicherheit um alles andere als um mich kreisten.
Fabrizio hatte mir schon vorher die Wohnungsschlüssel gegeben und gesagt, ich solle dort auf ihn warten, er komme nach der Arbeit.
Ich habe die Wohnung noch nicht gesehen, und offen gesagt interessiert sie mich einen Dreck. Nachdem ich mein Mofa vor dem mehrstöckigen Wohnhaus abgestellt hatte, betrat ich die Eingangshalle, sie war menschenleer und lag im Halbdunkel. Die Stimme der Portiersfrau, die mich fragte, wen ich suche, ließ mich zusammenfahren, und ein jähes Hitzegefühl überraschte mich.
»Ich bin die neue Mieterin«, sagte ich laut und betonte dabei jedes einzelne Wort, als wäre die Portiersfrau taub. Tatsächlich wies sie mich sofort zurecht: »Ich hab keine Tomaten in den Ohren. In welchen Stock müssen Sie?«
Ich überlegte kurz. »In den zweiten Stock«, sagte ich dann. »Die Wohnung, die Herr Laudani gerade gemietet hat...«
Sie lächelte und sagte: »Ah, ja! Ich
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